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Kirche in WDR 2 | 08.05.2014 | 05:55 Uhr
Besessenheit
Haben Sie schon mal Dämonen ausgetrieben? Einen Besessenen befreit? Ich schon. Und ich glaube, Sie können das auch. – Dämonen: Ist das überhaupt noch ein Thema? Europa ist durch die Aufklärung gegangen, und mit ihm das Christentum, Gott sei Dank. Was früher vielen Menschen Angst machte, gilt heute als Metapher, als Sinnbild für das Böse. Heute weiß man viel über psychische Krankheiten, wo man früher böse Geister wähnte.
„Daimonia“ heißt ja übersetzt: Kraft. Welchen Kräften bin ich ausgesetzt? Wer hat mich im Griff? – Besessen ist die passive Form von besitzen: Lebe ich wirklich, oder werde ich nur gelebt? Letzten Endes geht es also um meine Freiheit, um meine Verantwortung für mich selbst. Dazu hat Jesus die Menschen befreit, dazu hat er ihnen Mut gemacht.
Von Besessenheit befreien heißt deshalb für mich: Jemandem helfen, wieder aktiv zu werden, selbstbewusst und nicht fremdbestimmt. Damit habe ich gute Erfahrungen gemacht, und ich glaube, das kann jeder. Mir hilft dabei mein Vertrauen auf Jesus Christus: Er hat mich erlöst, und das schenkt mir eine ganz große Gelassenheit, Rückgrat und innere Freiheit.
Ich kenne Menschen, die waren total besessen: Von einem Chef, der sie zum schleimigen Schmeichler machte; von einem Modetrend, durch den sie sich krank gehungert haben; von einer Geliebten, die einen zweiten Frühling versprach. Oder die waren besessen von ihrem Terminkalender, von Karriere, Gewohnheit oder Sucht. Irgendwann hat ihnen jemand Mut gemacht, ihr Leben wieder selber in die Hand zu nehmen.
Manche würde ich nur allzu gerne von ihrer Besessenheit befreien: die religiösen Fundamentalisten vom Nahen Osten bis zum Wilden Westen. Sie meinen immer, sie müssten ihren „Gott“ beschützen, indem sie ihre Gegner verteufeln; und dabei sind alle Mittel recht. Wie gerne würde ich sie befreien – von ihrer dämonischen Ideologie!
Ich glaube, dass Gott mir mein Leben geschenkt hat, dass er mich annimmt und liebt. Und ich vertraue ihm. Das geht nur, wenn ich frei bin und verantwortlich handeln kann. Wer besessen ist, der schreit im Grunde nach Zuwendung; wer aber Liebe erfährt, der wird frei. Wer sein Leben hat, kann es hergeben; nur wer es besitzt, kann es verschenken.