Beiträge auf: wdr2
Hörmal | 19.06.2014 | 07:45 Uhr
Brasilien - die Schattenseiten der Fußball-WM
Autor: 620 Millionen Euro für ein Fußball - Stadion – So geschehen jetzt in Brasil. Wer soll denn nach der WM dort spielen? Die Hauptstadt Brasiliens hat noch nicht einmal einen eigenen Fußballverein.
Es sind Fragen wie diese, die in Brasilien die Menschen zu zig-Tausenden auf die Straße treiben. Ihre Regierung hat für die Fußball-WM etwa 9 Milliarden Euro ausgegeben. Knapp 3 Milliarden davon allein für den Stadion-Bau. Bei den kleinen Leuten ist dagegen so gut wie nichts angekommen, sagt Anna Arujo. Die 20jährige lebt im brasilianischen Bundesstaat Bahia:
O-Ton: Na somso ujo dos ujo dos ujoso …
Overvoice: Wir sind die Letzten der Letzen der Letzen, um die sich die öffentlichen Organe kümmern. Andere Belange sind immer wichtiger als unsere. (…) Was ist mit Schulen, mit Krankenhäusern oder mit Stadtentwicklung? Da lässt uns der Staat total im Stich. Mit dem Geld, was für die WM ausgegeben wurde, hätte man viele andere Probleme lösen können.
Autor: Aber das ist nicht passiert. Stattdessen greift die Regierung hart durch: mit Gummigeschossen und Tränengas. Gegen unzufriedene Bürger in Sao Paulo genauso wie gegen protestierende Ureinwohner in der Hauptstadt Brasilia. Die harte Gangart hatte sich schon vor einem Jahr angedeutet, beim Confederations Cup, der als Testlauf für die WM galt. Damals holte die Polizei Obdachlose gewaltsam von der Straße. Solche "Säuberungsaktionen" könnte es jetzt auch wieder geben, meint die Rechtsanwältin Betana Fehera
O-Ton: Bon, Set un grange procubacion .
Overvoice: Das ist eine große Sorge, die wir haben. Wir machen uns auch Sorgen um das Demonstrationsrecht und die Meinungsfreiheit der Leute, die mit der WM nicht zufrieden sind. Und wir machen uns große Sorgen um mögliche Polizeieinsätze im Umfeld der WM. Die Rechte der Einwohner sollten respektiert werden.
Autor: Dafür setzt sich auch die evangelische Hilfsaktion "Brot für die Welt" ein: "Fair play for fair life" heißt ihre Aktion. In Brasilien unterstützt sie damit zum Beispiel die Frauen, die Acarajé verkaufen - kleine frittierte Bällchen aus Bohnenmus und Krabben. Rita Santos kümmert sich um die Verkäuferinnen:
O-Ton: Rita Santos: Preserva da cultura …
Overvoice: Wir wollen diese Kultur erhalten. Die Acarajé-Frauen waren die ersten Unternehmerinnen Brasiliens. Vor mehr als 300 Jahren fingen sie an und haben das von Mutter zu Tochter weitergegeben. Heute finanzieren viele mit dem Einkommen aus dem Acarajé-Verkauf ganze Familien, von den Großeltern bis zu den Enkeln.
Autor: Acarajé ist ein beliebter Snack in Brasilien. Rund um die WM-Stadien wollte ihn die FIFA aber verbieten – hier sollten nur die offiziellen WM-Sponsoren ihre Produkte verkaufen dürfen. Dagegen hagelte es landesweit Proteste. Mit der Hilfe von "Brot für die Welt" konnten die Verkäuferinnen am Ende durchsetzen, dass zumindest einige von ihnen nun doch ihre Acarajé anbieten dürfen.
Der kleine Erfolg macht Mut, auch die großen Probleme in Brasilien anzugehen. Die Wasserversorgung, das Bildungs- und Gesundheitswesen sind nach wie vor mangelhaft, und die Kluft zwischen Arm und Reich immer noch extrem. Aber: Es gibt genug Brasilianer, die das nicht länger hinnehmen wollen, sagt Anna Arujo:
O-Ton: Chi dasa imagici nei to brasileiro esso futbol, es so samba, esso carneval. OVERVOICE: Wir sollten dieses Bild loswerden, dass alle Brasilianer nur Fußball, Samba und Karneval im Kopf haben. Es gibt viele Brasilianer wie mich, die möchten, dass sich ihr Land entwickelt, dass ihr Land in Bildung investiert, in die Gesundheit.
Autor: Gut, dass sie in kirchlichen Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt verlässliche Partner haben. Somit ist ein Anfang gemacht. Doch dabei allein, darf es nicht bleiben.
Sprecher: Titus Reinmuth