Buß- und Bettag

Heute ist Buß- und Bettag. Bis 1994 war er ein gesetzlicher Feiertag. Das ist vorbei. Aber dieser Feiertag hat eine interessante Geschichte. Die klingt zwar irgendwie altmodisch. Ist aber hochaktuell.

Doch der Reihe nach: Christlich geprägte Herrscher haben im Lauf der Geschichte immer wieder aus aktuellem Anlass Buß- und Bettage angesetzt (1): zum Beispiel wenn ein Krieg drohte, bei Hungersnot, wenn eine Seuche die Bevölkerung dahinraffte. Die Herrscher wollten, dass die Menschen am Buß- und Bettag in sich gehen: Eine neue Haltung zu Gott, eine neue Einstellung zum Leben, zu den Mitmenschen und zur Welt sollte so entstehen.

Wenn es heute noch so ginge wie früher, dann müssten die Regierenden Europas in diesen Tagen auch einen Buß- und Bettag ausrufen. Ich denke dabei an das unfassbare Leid der vielen Flüchtlinge von denen wir Berichte in den Medien hören und die in unseren Städten ankommen. Die Situation der vielen syrischen Flüchtlinge in und außerhalb des Landes ahnen wir nur dunkel. Viele Flüchtlingsschicksale aus Afrika, Asien und Lateinamerika bleiben uns weitgehend verborgen. Weltweit sind rund 45 Millionen (2) Menschen auf der Flucht.

Was kann jetzt helfen? Mitleid allein jedenfalls nicht. Auch ein Staatsbegräbnis für die Toten von Lampedusa ist viel zu wenig. Und ein EU-Gipfel, bei dem man die „komplexen Aufgaben“ sieht, aber die Entscheidungen über die Flüchtlingspolitik auf 2014 vertagt (3), bringt auch nicht weiter.

Ein Tag der Umkehr ist nötig. Ein Tag, der uns daran erinnert, was wir selbst mit diesem Flüchtlingselend zu tun haben. Der afrikanische Kontinent wurde und wird von uns und anderen reichen Ländern ausgeplündert ohne Rücksicht auf die Zerstörung der Umwelt. Und faire Handelsbeziehungen (4) sind noch lange nicht erreicht.

Das alles wirkt nachhaltig und bringt Menschen in Afrika um ihre Lebensmöglichkeiten. Über diese und andere Fluchtursachen nachzudenken – das ist eine Aufgabe für den Bußtag. Der ist aber auch ein Tag des Gebetes. Beten heißt: Ich spreche allein oder mit anderen vor Gott aus, was ist. Wir sagen Gott, was mit uns und unserer Welt los ist. Manchmal werfen wir dabei Gott auch unsere ganze Ratlosigkeit, Verzweiflung und Ohnmacht vor die Füße. Deshalb bete ich heute mit vielen anderen an diesem Buß- und Bettag – und wenn Sie mögen, mit Ihnen:

Gott, wir bitten für die Männer, Frauen und Kinder in vielen Ländern der Erde, die in großer Angst von zuhause fliehen müssen. Wende ihre Not und Verzweiflung in Hoffnung und Zukunftsperspektive. Schütze sie auf den gefährlichen Fluchtwegen. Lass sie nicht zu Opfern einer gleichgültigen Asylpolitik bei uns werden.

Gott, wir bitten dich für die Menschen in unserem Land, die Angst vor den Fremden haben. Hilf ihnen, ihre Angst zu überwinden. Wir bitten dich für die Politikerinnen und Politiker, die ihre Verantwortung in der Flüchtlingspolitik oft abgeben anstatt wahrzunehmen. Wir bitten dich für die christlichen Kirchen, dass sie sich stark machen für die Fremden. Gib uns den Glauben und die Kraft, Menschen als von dir geschickt anzunehmen. Sie zu beherbergen, als ob sie Engel wären. (5)

Christsein besteht im „Beten und Tun des Gerechten“ (6), so hat es Dietrich Bonhoeffer einmal formuliert. Ich wünsche Ihnen, dass auch Sie heute die Zeit zu einem Gebet finden und den Mut umzukehren.

1 http://de.wikipedia.org/wiki/Bu%C3%9F-_und_Bettag

2 http://www.uno-fluechtlingshilfe.de/fluechtlinge/zahlenfakten/weltfluechtlingszahlen-2012.html

3 http://www.tagesschau.de/ausland/eu-gipfel144.html

4 Ich nehme Bezug auf einen Artikel aus der Nordsee-Zeitung aus Bremerhaven (vgl. http://www.n-tv.de/politik/pressestimmen/Afrika-leidet-vor-unserer-Haustuer-article11611346.html

5 http://praesesblog.ekir.de/2013/10/07/fluchtlingskatastrophe-auf-lamepdusa-etwas-besseres-als-den-tod-findest-du-uberall/ In Anknüpfung und (auszugsweiser) Aufnahme eines Gebets von Dr. Stefan Drubel.

6 http://de.wikipedia.org/wiki/Dietrich_Bonhoeffer