Guten Morgen?

Es könnte sein, dass sie das Geräusch in dieser Nacht mehrmals geweckt hat. Oder sie können sich zumindest daran erinnern, dass es mal so gewesen ist.

Meine Zweijährige jedenfalls - hier im Bethanien Kinderdorf, in meiner Kinderdorffamilie, ist momentan leider ziemlich aktiv nachts. Und sie erwartet dann, dass ich bitte sofort komme, wenn sie um zwei oder drei Uhr nachts „NANA“ ruft. Dann muss ich hin und ihr klar machen, dass jetzt noch keine Aufstehzeit ist. Morgens fühle ich mich dann gerädert. Denn anders als sie, kann ich nicht lange liegen bleiben.

Ich kenne viele Menschen, die schlecht schlafen – entweder weil sie Schmerzen oder kleine Kinder haben oder ihr Kopf einfach zu wach ist und sie nicht abschalten können.

An solchen Tagen kann ein fröhliches „Guten Morgen“ (so wie ich das eben gemacht habe) grimmige Gefühle hervorrufen. Was bitte schön soll gut an diesem Morgen sein? Ich habe schlecht geschlafen!

Eine meiner Mitschwestern hat in einer 6 Uhr Mediation zu mir gesagt „Du sollst den Tag vor dem Abend loben“. In meiner Müdigkeit habe ich diesen Satz selbstverständlich in seiner gewohnten Länge gehört „ja, ja, du sollst den Tag nicht vor dem Abend loben“. Moment – da fehlte ein Wort – und zwar mit Absicht.

Ja, du sollst diesen Tag einfach mal freundlich begrüßen und dich freuen, dass du aufgewacht bist, dass du lebst, dass du da bist. Ihn also ohne dass er dir was gebracht hat, einfach mal loben.

Ein schöner Gedanke finde ich.

Machen sie das doch heute auch mal. Loben sie diesen Tag vor dem Abend. Egal welches Arbeit, welches Meeting oder welche Gefühle heute auf sie warten.

Und da es in der Psychologie so etwas wie „selbsterfüllende Prophezeiung“ gibt, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich hoch, dass es ein guter Tag wird.

In diesem Sinne „Guten Morgen“!

Copyright Vorschaubild:EladeManu CCBy 2.0 flickr