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Hörmal | 03.04.2016 | 07:45 Uhr
Hoffnung heute
Ein Seminar zum Thema Hoffnung: An der Evangelischen Fachhochschule in Bochum diskutiere ich mit den Studentinnen und Studenten. Sie meinen, dass Menschen eigentlich fast immer auf irgendetwas hoffen, auf schönes Wetter für eine Grillfete, auf eine Gehaltserhöhung, einen erholsamen Urlaub oder einen Lottogewinn. Eltern hoffen, dass aus ihren Kindern was wird, und Kinder hoffen, dass die Schulzeit irgendwann vorbei ist. Also: Hoffnung ist etwas völlig Alltägliches. Aber worin unterscheidet sich nun diese Art zu hoffen von dem, was die christliche Hoffnung ausmacht?
Im Rahmen des Seminars haben wir auch Dietrich Bonhoeffers Briefe gelesen. Der Pfarrer und Widerstandskämpfer gegen das Nazi-Regime schrieb regelmäßig aus seiner Haft in Berlin-Tegel. Und im Juni 1944, wenige Monate vor seiner Hinrichtung durch die Nazis, schreibt er an seinen Freund Eberhard Bethge: „Die christliche Auferstehungshoffnung“ verweist „den Menschen in ganz neuer … Weise an sein Leben auf der Erde … Das Diesseits darf nicht aufgehoben werden.“ Soweit das Zitat.
Mitten in dieser Ungewissheit, ob sein Leben in der Haft sein Ende finden wird, setzt Dietrich Bonhoeffer seine Hoffnung nicht auf ein Leben nach dem Tod. Immer wieder kreist Bonhoeffer in diesen Briefen um den Gedanken, dass Gott mitten im Leben Hoffnung stiftet. Aber nicht Hoffnung auf Erfolg, auf mehr Geld, auf die Erfüllung persönlicher Wünsche, sondern Hoffnung auf andere Verhältnisse und Hoffnung für andere Menschen.
Für Dietrich Bonhoeffer macht Hoffnung frei davon, ständig selbstbekümmert um sich zu kreisen. Sie setzt den Glauben an Gott in Taten um, damit andere leben können. Sie hat immer eine soziale, eine öffentliche Dimension. Sie verweist auf die, deren Leben im Schatten steht, auf die, deren Alltag gerade wenig zu tun hat mit einem guten und hoffnungsvollen Leben. Davon gibt es genug. Menschen, die trotz intensiver Bemühungen keine Arbeit haben, Flüchtlinge, die ein Leben in Frieden suchen, alte Menschen, die in ihren Wohnungen vereinsamen. Viele von Ihnen wollen eine Hoffnung zum Anpacken, keine Vertröstung. Sie hoffen auf Frieden, auf Menschlichkeit und Zuwendung, auf einen Arbeitsplatz.
In den Evangelien wird erzählt, wie ein frommer und zugleich reicher Mann Jesus fragt, was er tun müsse, um das ewige Leben zu erben. Die Gebote habe er alle von Jugend an gehalten. Statt dass Jesus ihn lobt und zuversichtlich macht, konfrontiert er ihn mit dieser anderen Seite der Hoffnung. Er sagt: Verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen.
Eine radikale Antwort! Eine Aufforderung, an der man in der Regel scheitert. Aber ich verstehe es so, dass wir aufgefordert sind, unsere Hoffnung sichtbar und spürbar zu machen, andere mit hineinzunehmen dadurch, dass wir geben und teilen, wo wir es können. Für Christinnen und Christen geht es darum, diese Hoffnung immer wieder zum Ausdruck zu bringen als Einzelne und als Kirche, sozial und politisch. Politisch wäre der kirchliche Einsatz für eine Vermögenssteuer ein Beitrag dazu: Die, die viel haben, geben etwas, damit die, die wenig haben, etwas mehr bekommen. So konkret, so sozialpolitisch unbequem, so provokant kann Hoffnung sein, Hoffnung, die hier und heute etwas verändert.