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Hörmal | 17.04.2016 | 07:45 Uhr

Unter die Haut

Die Kinder waren ausgezogen und hatten ihr eigenes Leben begonnen. Ihre Zimmer standen leer und wurden nicht mehr gebraucht. Das Leben, der Alltag sortierte sich neu. Die Fernsehbilder der überfüllten Boote auf dem Mittelmeer, der überfüllten Zeltstädte, Turnhallen, Flüchtlingslager berührten sie tief. Die armen Menschen, diese drangvolle Enge.

Und dann kam diese Email. Aus der Kirchengemeinde. Überschrift: „Ich war fremd, und ihr habt mich aufgenommen.“ Ein Jesuswort. Gesucht werde eine Unterkunft für eine fünfköpfige syrische Familie Sie sagten spontan ihre Hilfe zu und stellten die leerstehenden Zimmer ihres Hauses zur Verfügung. Und freuten sich! Endlich einmal selber etwas tun – nicht immer nur wünschen und reden.

In den ersten Tagen bekommen sie ihre neuen Mitbewohner kaum zu Gesicht. Die Familie hat sich in die beiden Kinderzimmer zurückgezogen und wagt sich nur heraus, wenn ihre Gastgeber bei der Arbeit sind.

Die finden dann abends oft ein feines orientalisches Essen vor: Bulgur mit Rinderhack, Falafel mit Humus, Salat mit Zitrone. Sie essen nun nicht nur anders, als sie sonst gegessen haben, es riecht nun auch anders im Haus. Manchmal hören sie arabische Worte oder exotische Musik. Und manchmal meinen sie die Traurigkeit ihrer neuen Mitbewohner zu spüren.

Ein Haus ist wie eine zweite Haut, heißt es. Das Elend der weltweiten Flucht steckt nun nicht mehr nur im Fernseher, sondern durchdringt die Wände, atmet im eigenen Treppenhaus, geht unter die Haut.

Sie stellen fest, dass es anstrengend ist, derartig dicht mit fremden Menschen zu leben, die Sprachprobleme auszuhalten, die fremden Gerüche und Stimmen.

Manchmal sind sie ganz froh darüber, dass sie sich so dezent in ihren Zimmern verkriechen. »Ich war fremd und ihr habt mich aufgenommen«? Fromme Worte. »Endlich mal was Konkretes tun«? Pure Sozialromantik. Und ihren Gästen geht es wohl kaum anders.

Vor dem Bürgerkrieg waren die Syrer eine gebildete und angesehene Familie, der Vater Ingenieur, sie hatten ein eigenes Haus. Jetzt leben sie hier in zwei Kinderzimmern, holen ihre Kleider bei der Caritas und müssen sich auch noch ständig bedanken.

In den ehemaligen Kinderzimmern wird nun fünfmal am Tag gen Mekka gebetet. Obwohl sie den Inhalt nicht verstehen, werden sie erfasst vom Klang dieses Gebets, seiner Stille und Klarheit. Der Islam erscheint ihnen weniger fremd, weniger erschreckend als wohltuend und barmherzig. Ihren Koran haben sie leider nicht mitbringen können, bedauert die Frau. Das sei auf der Flucht zu gefährlich gewesen. Denn wer einen Koran im Gepäck habe, werde von den Assad-Truppen als gegnerischer Sunnit identifiziert.

Im online Buchhandel bestellen sie einen Koran, und als sie ihn übergeben, fängt die Mutter an zu weinen, küsst den Koran und ihre Gastgeber.

Beseelt und verwirrt holte sie später ihre Bibel aus dem Bücherschrank.

Ob ihnen das auch so viel bedeuten würde, wenn sie auf der Flucht wären und jemand ihnen eine Bibel gäbe? Welche Kraft steckt in heiligen Schriften?

Irgendwann ziehen die Gäste dann wieder aus, endlich in eine eigene Wohnung.

Und obwohl sie sich vorgenommen hatten, mit dem ersten Besuch eine Weile zu warten, stehen schon am Wochenende bei ihren Syrern vor der Tür. Sie freuen sich, umarmen sich und führen ihnen stolz die kleine Wohnung vor.

Es gibt Tee - die herrlich süße Droge aus den zarten Glastassen. Und selbstgebackene Kekse mit Datteln.

»Ich liebe diese Stadt«, sagt Maryam plötzlich. »Und ich liebe ihnen.«

Doch ihre Schwester Fatima korrigiert: »Das heißt: Ich liebe euch.« Lieben geht mit Akkusativ.

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