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Kirche in WDR 2 | 07.05.2016 | 05:55 Uhr
Geschenk für beide Seiten
Wozu soll das gut sein? – Für Dich bedeutet es nicht viel, fürchte ich, aber für mich bedeutet es alles. Vielleicht gibt es noch jemand anders, der es sehen und verstehen kann wie ich. Und für den wird es von Bedeutung sein.
Zahlentheorien, unendliche Reihen und Kettenbrüche: das ist die Welt von Srinavasan Ramanujan. Hohe Mathematik, die nicht nur seine Frau Januki überfordert. Diesen Mann hat es wirklich gegeben. Vor 100 Jahren kam er von Südindien nach Europa. Episoden aus dem Leben dieses Mathegenies stehen im Mittelpunkt des Filmes „Die Poesie des Unendlichen“, der am Donnerstag in vielen Kinos anläuft.
Ramanujan sucht darin Anschluss an die besten Wissenschaftler seines Fachgebiets, von denen einige damals an der britischen Universität von Cambridge lehrten. In Professor G. H. Hardy fand der hochbegabte Inder, der bis dahin keine anerkannte wissenschaftliche Ausbildung hatte, einen Mentor und Fürsprecher. Die Berechnungen, Beweise und Formeln, die Ramanujan aufgeschrieben hatte, begeisterten Hardy:
Integrale, unendliche Reihen, so was habe ich noch nie im Leben gesehen. Woher kannten Sie dieses Theorem? – Es kam mir in den Sinn.
So sehr Ramanujan seinen Förderer auch zu überzeugen wusste: Bei anderen Angehörigen des akademischen Establishments seiner Zeit stieß er vor allem auf Ablehnung:
Sie können sich absolut sicher sein, dass jede Formel, von der Sie träumen, ganz und gar falsch ist. Und dann können Sie sich wieder unter ihrem Felsen im hintersten Felsen verkriechen und wir können Ihre Farce beenden.
Ramanujan fehlen das blaue Blut, die begüterte Familie und die wissenschaftlichen Meriten, um an der Elite-Hochschule akzeptiert zu werden. Bürden sind ihm seine herausragenden Talente, die Neid wecken, seine provinzielle Herkunft und seine Hautfarbe:
Ich will Ihnen mal was sagen, Sie Curryfresser. ... Sie haben hier nichts zu suchen. ... Und jetzt raus hier!
Ein Inder im Europa vor hundert Jahren: Mich erinnert das, was er erlebte, an manches, was Flüchtlingen hier heute zugemutet wird: Massive Drohungen, unverhohlener Rassismus, offene Gewalt. Scheinbar hat sich nicht viel geändert.
Christlich finde ich solche Verhaltensweisen nicht. Gott sei Dank engagieren sich auch viele Christen in der Flüchtlingshilfe, zeigen, was ihren Glauben ausmacht: Barmherzigkeit und Nächstenliebe.
Dass ein solcher Einsatz beide Seiten beschenken kann, das zeigt der Film „Die Poesie des Unendlichen“ auch: Aus der Begegnung auf Augenhöhe ist am Ende so etwas wie eine Freundschaft entstanden:
Ich verdanke Ihnen so viel! – Nein, nein! Ich habe Ihnen viel zu verdanken.