Mit Kinderaugen sehen

„Prost Onkel!“ sagt eine knapp Vierjährige laut und deutlich. Nicht etwa auf einem Familienfest, sondern genau in die Kirchen-Stille hinein, als der Priester den Kelch in die Höhe hält. Nur mit Mühe pruste ich nicht laut los. Kinder sind so wunderbar ehrlich und direkt. Sie deuten die Dinge aus dem heraus, was sie schon kennen gelernt haben. Und ein Trinkgefäß hochheben in Richtung von anderen Leuten heißt eben: „Prost“.

Auch meinte eine Zweieinhalbjährige neulich zu mir „Mütze ab?“ als sie mich mit meinem Schwesternschleier auf dem Kopf in der Kirche sah – denn eine „Mütze“ auf dem Kopf gehört sich einfach nicht in der Messe. Sie musste ihre Kappe ja auch ausziehen. Und als wir uns dann alle zum Friedensgruß die Hand reichten, kam mit einem fragenden Blick: „gehen die alle?“, weil sie gelernt hat, dass man sich mit einem Handschlag verabschiedet.

„Werdet wie die Kinder“ sagt Jesus zu seinen Jüngern. Das heißt nicht, infantil zu werden. Sondern, dass ich das, was ich sehe, mit meinem erweiterten Horizont und Wissen interpretiere. Ohne so ganz viel darüber nachzudenken und zu grübeln. Z.B. dass ich in dem erhobenen Kelch, nicht das Zuprosten, sondern das Zeichen für Gottes Hingabe erkenne. So habe ich es doch gelernt, schon als Kommunionkind. Oder in der gereichten Hand ein wirkliches Zeichen und ein Anfang zum Frieden und zur Versöhnung.

Das ist schwierig. Und wenn ich dann daran denke, dass ich von meinem Glaubenswissen her weiß, dass ich in jedem Menschen den Bruder oder die Schwester erkenne soll, egal ob es meine Nachbarin, mein Chef oder gar der Attentäter ist – da wird es so richtig schwer.

Mit Kinderaugen sehen heißt für mich, das Herz und meinen Verstand sprechen lassen mit dem was ich tue, sage und wie ich Menschen begegne.

Dahinter bleibe ich oft zurück. Aber so ein Kind mit seinem „Prost Onkel“ erinnert mich, Erwachsene, Gott sei Dank, immer wieder daran.