Gemeinsam

Ich wohne ja in Münster: die Stadt der Fahrräder, Kirchenglocken und des vielen Regens, sagen die meisten dann. Und seit diesem Frühjahr auch die Stadt der Amokfahrt.

Als im April ein Auto in eine Menge fuhr, haben meine Freundinnen und ich gebetet, dass es kein islamistischer Anschlag war. Wir haben darum nicht gebetet, weil wir naive Gutmenschen sind. Wir wissen um die Gewalt, die Menschen mit Berufung auf den Islam weltweit ausüben. Wir wissen auch um die Menschen, die aus patriarchalisch geprägten Ländern kommen, und die Gleichwertigkeit von Frauen und Männern nicht in ihrem Wertekanon haben. Wir wissen auch um die Asylbewerber, die hier Geld mit Drogenhandel machen.

Wir sind nicht naiv. Und trotzdem haben wir gebetet: unter anderem auf Arabisch, Türkisch und Deutsch, denn wir sind Musliminnen und Christinnen. Wir sind Bürgerinnen dieser sympathischen Provinzstadt und wir sind das gemeinsam.

Wir stehen gemeinsam auf dem Prinzipalmarkt und demonstrieren, wenn die AfD im Rathaussaal tagen will. Wir stehen gemeinsam im Dom, wenn ein psychisch kranker Einzeltäter mit einem Transporter auf die Terrasse des Restaurants Kiepenkerl fährt. Unsere Männer und Söhne engagieren sich gemeinsam bei der Feuerwehr.

Wir beten. Nebeneinander. Zum gleichen Gott. Um den gleichen Frieden. Mit Kopftüchern und Kreuz um den Hals. Mit Worten und Gesten.

Wir waren auch gemeinsam erstaunt über unsere Erleichterung, dass es kein islamistischer Anschlag war. Wir haben gemerkt: unser Friede in der Stadt ist in Gefahr. Nicht nur durch Amokfahrten, auch durch irre Spekulationen im Internet, durch das von der AfD etablierte „Erweitern der Grenzen des Sagbaren“.

Wir beten deshalb gemeinsam: nebeneinander zum gleichen Gott.