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Hörmal | 29.07.2018 | 07:45 Uhr
Biete Frieden
Dafür bin ich extra noch einmal nach Münster gefahren. Zuletzt war ich dort zum Katholikentag im Mai: „Suche Frieden“ war damals das Motto, zu dem 90.000 Menschen gekommen waren. Jetzt wollte ich die Ausstellung sehen, die der Münsteraner Dom dazu angestoßen hatte. Auf das „Suche Frieden“ folgt nämlich nun die charmante Antwort: „Biete Frieden“. Bis Anfang September kann man noch sehen, was sich 14 Künstlerinnen und Künstler dazu haben einfallen lassen in und am Dom.
„Suche Frieden“ – „Biete Frieden“.
Das zusammen klingt für mich wie Angebot und Nachfrage. Und das Weltgeschehen zeigt ja: Die Nachfrage nach Frieden ist groß, ob in Syrien, in Palästina oder im Jemen. Aber auch im Kleinen wird Frieden nachgefragt: im Streit, wer Recht hat, im Streit, wer Vorfahrt hat, im Streit, wer sich um den Haushalt kümmert.
Wie aber sieht nun das künstlerische Friedensangebot aus? Mich hat eine Installation beeindruckt, die etwas versteckt, ganz hinten im Dom ist, und auf den ersten Blick da nicht hingehört. Dort hat in einer Seitenkapelle ein Künstler vor einem Altar einen Teppich ausgebreitet, auf dem sich zwei bequeme Wohnzimmersessel gegenüberstehen mit gleichhoher Rückenlehne. Das Arrangement lädt dazu ein, hier Platz zu nehmen, zu zweit, um ins Gespräch zu kommen. Es geht dem Künstler dabei allerdings nicht ums reine Plaudern, denn er hat den Ort seiner Installation wohl bewusst gewählt: Es handelt sich hier im Dom um die Beichtkapelle, in der ein Beichtstuhl steht – weniger einladend als die beiden Sessel, aber auch für das Zwiegespräch gedacht. Der Beichtstuhl ist ja in einer katholischen Kirche der Ort, wo sich ein Mensch aussprechen kann, wo er sich einem Priester gegenüber anvertraut und wo er im besten Falle um die Wahrheit seines Lebens ringt.
Die Kunstinstallation greift solches Ringen auf, ohne gleich die Frage nach Schuld und Sünde zu stellen, wie in der Beichte, und auch nicht, um das Gespräch mit einem Priester nur an einen bequemeren Ort zu verlagern.
Der Künstler schafft die Möglichkeit für ein ernstes Gespräch von zwei Menschen auf Augenhöhe. Und so nennt er seine Arbeit: „Zusammensetzen, Auseinandersetzen“. Das hört sich zunächst wie ein Widerspruch an: zusammen – auseinander. Es beschreibt aber eigentlich eine Streitkultur: Wenn ich einen Streit mit jemandem habe, dann muss ich um des Friedens willen mich mit meinem Kontrahenten zusammensetzen und mich mit ihm und seiner Position auseinandersetzen – und umgekehrt, der Kontrahent muss dies mit mir und meiner Position tun.
Damit allerdings eine solche Auseinandersetzung im Streitfall möglich wird, bedarf es guter Rahmenbedingungen, einer angenehmen Umgebung, einer guten Atmosphäre. Das fängt an beim Zusammensetzen und hat schließlich mit der inneren Haltung zur Auseinandersetzung zu tun: Begegne ich dem anderen auf Augenhöhe, lasse ich ihn aussprechen und umgekehrt er mich?
Im Münsteraner Dom hat der Künstler für die äußere Rahmenbedingung gesorgt: das bequeme Arrangement auf dem Teppich mit zwei gleichhohen Sesseln. Es steht bildlich für das Angebot: „Biete Frieden.“ Ich fand diese Konstellation einladend und klug gestaltet. Nun hatte ich keinen aktuellen Streit auszufechten als ich im Münsteraner Dom war. Aber das Bild nehme ich mit. Und ich hoffe, ich werde beides beim nächsten Streitfall nicht aus den Augen verlieren: sich zusammenzusetzen, um sich auseinanderzusetzen – und zwar auf Augenhöhe.