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Hörmal | 05.05.2019 | 07:45 Uhr
Mein Mängelexemplar ist wunderbar
Nach der Untersuchung werde ich ins Arztzimmer gerufen. Ich gehe da nicht gerne rein. Gleich sagt mir der Arzt bestimmt wieder, was mit mir nicht in Ordnung ist. Wenn ich aus Arztpraxen rausgehe, fühle ich mich meist wie ein Montagsmodell. Auch wenn man es mir nicht ansieht. Wie ein Montagsmodell, also eher wie so ein Mängelexemplar. Läuft, aber nicht richtig gut, man hat schon mal ordentlich Ärger damit.
„Sie haben die Medikamente jetzt also seit zwei Wochen abgesetzt und keine Beschwerden mehr?“ „Nee,“ antworte ich. „Gut,“, sagt er, dann lassen wir das so.“ Ich gucke ihn an: „Dann habe ich also kein Asthma oder so was?“ „Dafür gibt es keine Anzeichen. Aber was Sie haben, ist ein sehr gutes Lungenvolumen. Fünf Liter bei Ihrer Größe, das ist schon was.“
Ich versuche, mir fünf Wasserflaschen in meinem Brustkorb vorzustellen und merke, wie ich lächele. „ Kann ich das schriftlich haben? So als Zertifikat für die Wand, oder so?“ Er schüttelt amüsiert den Kopf: „Steht in Ihrem Arztbrief.“ Ich verlasse die Arztpraxis anders als sonst. Mit einem tollen Gefühl. Ich atme ständig tiefer ein und denke: Fünf Liter! Ich laufe aufrechter zurück zu meinem Büro und mir fällt ein, dass ich das schon ein, zwei Mal erlebt habe, dass mir Ärzte nebenbei etwas Interessantes und Individuelles, etwas Gutes über meinen Körper erzählt haben. Etwas, das man nicht sieht, als Laie, aber was mir aber ein anderes Gefühl für meinen Körper gibt.
Etwas,
das mir mehr bedeutet als die Likes für ein neues Profilbild auf Social Media
oder ein anderes Kompliment zu meinem Äußeren. Weil es mir hilft, mich mit
meinem „Mängelexemplar“ zu versöhnen. Oder wie ein Mensch in der Bibel das mal
geschrieben hat, zu sagen „Ich danke dir Gott, dass ich wunderbar gemacht bin.“
(Psalm 139)
