Beiträge auf: wdr2
Kirche in WDR 2 | 07.06.2019 | 05:55 Uhr
Beziehungsbuch
Mögen
Sie Liebesgeschichten? Ich schon! Zum
Beispiel die Liebesgeschichten der Bibel.
Nicht, weil sie so schön
romantisch sind, sondern weil sie die ganze Palette der menschlichen Auswüchse
enthalten. Abraham und Sara zum Beispiel: Abraham wird von Gott in der Wüste
´gefunden´, zum Stammvater des Volkes Israel bestimmt. Wie er seine Frau Sara
gefunden hat, wird nicht erzählt. Dafür geht’s bei Abraham und Sara
beziehungstechnisch ordentlich zur Sache: Sie rät ihm zum Sex mit seiner Magd –
weil sie unfruchtbar ist - und er verleugnet sie vor anderen Männern.
Oder Jakob, der von seinem
Schwiegervater hintergangen wurde und von ihm seine schwer vermittelbare
Tochter Lea anstatt seine angebeteten Dame Rahel ins Ehebett gelegt bekam. Oder
Mose und Zippora, David und seine Frauengeschichten, Ahab und Isebel, Elkana,
Hanna, Hosea und Gomer, ….
Es sind Geschichten, in denen
Beziehungen pervertiert wird und die teilweise gar nicht den Namen ´Beziehung´
verdient haben. Die Beziehungen damals dienten in erster Linie gar nicht den
Personen selbst. Es ging sehr selten um das Einzelschicksal, sondern immer um
den ganzen Familienverbund, das ganze Volk, den ganz großen Plan von Gott.
Trotzdem lese ich in der Bibel von
individuellen und von Gott geliebten Menschen. Das gilt heute auch noch. Nur
das wir heute vielleicht des Öfteren mal an das große Ganze erinnert werden
müssen. Gerade weil die heutige Gesellschaft so individualistisch daherkommt,
Beziehungen als persönlicher Glücksgarant angesehen werden und man sich auch
dadurch gegenseitig oft so weh tut.
Ich habe durch die Lektüre
der biblischen Liebesgeschichten entdeckt: Alle Beziehungen sind sehr ehrlich
beschrieben, die Konflikte wurden nicht verschwiegen. Sehr wenig Hollywood,
wenig Zuckerguss und längst nicht immer ein Happy End. Das beruhigt mich etwas.
Denn auch meine Beziehungen gelingen nicht immer. Das betrifft nicht nur meine
Liebesbeziehung, sondern auch die zu meinen Eltern, Kindern, Kollegen,
Freunden. Perfekt geht anders. Und es geht auch nicht um Perfektion. Sondern um
ehrliches Bemühen. Ich werde von anderen gebraucht und ich brauche Menschen. mit denen ich
Leben teile. Die ich mag. Und die mich mögen. Nicht weil ich mir von ihnen das
Glück meines kompletten Lebens verspreche, sondern weil ich mit ihnen Leben
teilen möchte. Und mit manchen sogar meine intimsten Momente.
Das dient auch einem höheren Zweck: Dadurch wird Leben lebenswert.
Und, da bin ich mir ganz sicher, das ist auch ein ganz großer Plan, den Gott für uns hat.