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Kirche in WDR 2 | 08.07.2020 | 05:55 Uhr
Müde sein
Mit kleinen Kindern ist man irgendwie immer müde und am Rande seiner Kräfte. Eltern, die behaupten, dass das alles ganz leicht gehe, sind mir eher suspekt. Meine Kinder sind zwar wunderbar, aber sie strengen mich auch jeden Tag enorm an. Der eine ist mitten in der Trotzphase und der andere noch kein halbes Jahr alt. Und nachts haben beide die Tendenz, noch einmal irgendein Bedürfnis zu äußern: Hunger, Kuscheln, Milch… Schlafentzug gilt nicht umsonst als nützliche Foltermethode. Und junge Eltern werden in dieser Hinsicht ganz schön herausgefordert. Ich merke das daran, dass bei meinem Mann und mir die Zündschnur oft unheimlich kurz ist. Wir sind einfach durchgehend erschöpft und ich habe hin und wieder den innigen Wunsch aus dieser Anstrengung auszusteigen.
Manchmal starre ich dann eine Postkarte über meinem Schreibtisch an. Da sitzt ein Typ unter einem Strauch in der Sonne, neben ihm stehen – von ihm scheinbar unbemerkt – Wasser und Brot. Er sieht verzweifelt und frustriert aus, so wie er da seinen Kopf auf die Arme legt.
Es ist ein Bild von meinem Lieblingsprophet Elija. Der „Shootingstar“ unter den Propheten, wie einer meiner Priesterfreunde sagt. Ihm ist als Prophet so vieles gelungen, aber der erste Erfolg hat ihn nicht richtig erfüllt. Er musste buchstäblich über Leichen gehen und war auch sonst als Streiter Gottes nicht gerade zimperlich. Und obwohl er in Gottes Sinne handelt, also theoretisch mit sich zufrieden sein könnte, will er aufgeben. Und dann sitzt er da unter dem Busch und wünscht sich den Tod.
Gott sorgt dafür, dass Elija nicht bekommt, was er will. Er lässt ihn nicht aufgeben. Stattdessen stärkt er ihn – mit Wasser und Brot, als einer ziemlich einfachen Mahlzeit, ohne jeden Luxus. Und Elija schläft und kommt wieder zu Kräften.
Auch deshalb ist er mein Lieblingsprophet – Schlafen, Wasser, frischgebackenes Brot. Diese drei sind oft das, was auch mich im erschöpften Alltag aufrichtet. Wie bei Elija.
