Beiträge auf: wdr2
Kirche in WDR 2 | 14.12.2020 | 05:55 Uhr
Last Christmas
Wahrscheinlich ist das der absolute Weihnachts-Radio-Hit. Und ich weiß, in diesem Jahr gibt es auf dieser Welle den ultimativen WDR 2-Chor, bei dem ganz viele mitmachen und mit ganz viel Herz ins Handy-Mikro singen. Das hat schon was.
Ich weiß nicht, ob Sie’s wussten... und bestimmt müssen jetzt manche ganz tapfer sein, aber ich muss Ihnen verraten: Der Song hat mit Weihnachten überhaupt nichts zu tun!
Im Text geht es um eine unglückliche Liebe, ein verschenktes und gebrochenes Herz und den guten Vorsatz, dass der Sänger es im nächsten Jahr besser machen will. Eine Liebesromanze, unterlegt mit computeranimiertem Disco-Fox und synthetischen Geigen. Das macht den ganzen Hit. Wenn sich die Engel in der Heiligen Nacht den Spaß erlaubt hätten, ihr Gloria gegen Last Christmas zu tauschen – ich glaube nicht, dass die Hirten zur Krippe gepilgert wären. Maria und Josef hätten als gute und fürsorgliche Eltern den kitschigen Chor nicht zum Jesuskind gelassen und Weihnachten wäre wahrscheinlich ausgefallen.
Wie konnte uns das passieren? Wie konnte das Fest der Liebe gekapert werden von ausgerechnet diesem Song? Ist Weihnachten eigentlich zu schön, um wahr zu sein und darum garniert man es mit dieser Liebesschnulze? Oder appelliert es an die Leidensbereitschaft der Christen? Ist es eine ganz subtile Form der Christenverfolgung? Last Christmas ist jedenfalls der perfekte Soundtrack zum großen Weihnachtsrummel.
Aber, ganz ehrlich: Für mich ist Weihnachten nicht Weihnachtsmarkt und Glühweinstand und Bratwurstbude und kleiner Lord im Fernsehen. Für mich ist Weihnachten das ganz große Geheimnis, das ganz große Kino – alle Jahre wieder.
Gott verlässt seine Sphäre und macht sich klein und wehrlos, liefert sich der Welt und den Menschen aus. Um uns ganz nahe zu sein, um uns besser zu verstehen zu können, teilt er unser Leben mit all seinen Höhen und Tiefen.
Sogar bis zum bitteren Ende.
Mehr Liebe geht nicht, nicht im Himmel und nicht auf Erden.
Und Gott bereut es nicht, sagt nicht, dass er sein Herz im nächsten Jahr anders verschenken wird. Sondern steht zu seiner Entscheidung und zu uns.
Alle Jahre wieder. Trotz Last Christmas.
Redaktion: Landespfarrer Dr. Titus Reinmuth
