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Hörmal | 10.10.2021 | 07:45 Uhr
Nein zur Todesstrafe
Ich weiß natürlich nicht, ob Sie schon mal Todesangst
hatten. Bei mir ist das jetzt bald 18 Jahre her. Es war eine saukalte
Winternacht – für kalifornische Verhältnisse. Und ich hatte nicht Todesangst um
mich – das muss ich gleich sagen. Aber um den Mann, der da hinter den Mauern
ausharren musste, vor denen wir standen. Wir, das waren Theologiestudierende
aus Berkeley, Kalifornien: katholisch, evangelisch, jüdisch, muslimisch. Der
Mann, das war Stanley, genannt „Tookie“, Williams. Und wir waren in jener Nacht
mit einem Bus zum St. Quentin Gefängnis gefahren, um Mahnwache zu halten für
Tookie Williams. 22 Jahre saß er dort im Todestrakt. Und das war wieder so eine
Nacht, in der gebangt wurde, ob das Urteil vollstreckt werden würde oder nicht.
Wir hatten Plakate, wir riefen, wir zitterten: weil es so saukalt war. Wir
ahnten, er würde uns nicht hören. Aber trotzdem fühlte ich mich noch nie zuvor
mit jemandem in Todesangst so verbunden wie in dieser Nacht. Ok, vielleicht an
Gründonnerstag mit Jesus im Garten Getsemani…aber das hier war schon was
anderes.
Einer von uns hatte ein Radio dabei. Und irgendwann wurde da durchgegeben: Der Court hat die Vollstreckung für heute abgesagt. Wir fielen uns in die Arme. Das war ein Etappensieg. Aber nur einer auf Zeit. Gouverneur Arnold Schwarzenegger zeigte keine Gnade und Tookie Williams starb am 13. Dezember 2005.
Heute ist der weltweite Tag gegen die Todesstrafe. Die Menschenrechtsbewegung Amnesty International hatte diesen Gedenktag im Jahr 2003 ausgerufen. Stand 2019 wird die Todesstrafe noch in 20 Ländern vollstreckt. Spitzenreiter bei den Vollstreckungen sind übrigens Iran, Saudi Arabien und Irak. Die drei Länder vollstrecken 8 von 10 Todesurteilen weltweit, pro Jahr. Insgesamt waren das vor 2 Jahren 657 Hinrichtungen.
Nun gehört die Todesstrafe schon lange zur Geschichte der Menschheit. Hexenverbrennungen waren ebenso eine Form der Todesstrafe wie standesrechtliche Erschießungen. Diese wurden hierzulande erst nach dem Zweiten Weltkrieg eingestellt.
Dass ein Land auf die Todesstrafe verzichtet, das sagt jeweils viel aus über den Grad an Zivilisiertheit. Über den Schutz des menschlichen Lebens und damit der Menschenwürde. Aber machen wir uns nichts vor: auch hierzulande ist das „Hängen sollte man den“ manchmal schneller gerufen als man denkt: ob aus einer Bierlaune heraus oder aus queren Gedanken …
Was sagt die katholische Kirche zur Todesstrafe? Nun, sie hat sich lange Zeit noch kleine Hintertüren offen gehalten. Aber seit 2018 hat Papst Franziskus das eindeutige und unmissverständliche „Nein“ zur Todesstrafe im Katechismus der katholischen Kirche festzementiert, „weil sie gegen die Unantastbarkeit und Würde der Person verstößt“.[1] Und sie ist „unzulässig“, weil sie im „Gegensatz zum Evangelium“ steht.[2] Punkt. Mehr gibt es aus katholischer Sicht zur Todesstrafe nicht mehr zu sagen. Und das ist gut so – finde ich nicht erst seit jener saukalten Winternacht vor 18 Jahren vor den Mauern des Todestraktes in St. Quentin, Kalifornien.
[1] https://www.katholisch.de/artikel/18461-papst-aendert-katechismus-todesstrafe-immer-unzulaessig [2] Vgl. ebd.