Wie Aussätzige

Heute ist Welt-Lepratag. Und im Moment muss ich vielen wohl nicht erzählen, was es heißt, ein Aussätziger zu sein. Fragen Sie mal alle, die mit Corona infiziert waren oder sind.

Aussatz – das war lange Zeit das Stellvertreter-Wort für Lepra. Also, bis man wusste, was diese Krankheit genau ist. Lepra: das ist eine chronische Krankheit, bei der durch Bakterien alles Mögliche am Körper langsam abstirbt: Nerven, Haut, Muskeln, Knochen.

Lepra war über Jahrhunderte eine der gefürchtetsten Geißeln der Menschheit. Weil keiner wusste, wie man die Krankheit in den Griff bekommen sollte, half nur das, was auch in der Corona-Krise als erstes hilft: totale Isolation.

Von solchen „Aussätzigen“ spricht schon die Bibel. Und, dass Jesus denen ziemlich furchtlos begegnet ist. Ohne Angst vor Ansteckung.

Der Patron der Lepra-Kranken, das ist Damian de Veuster. Ein belgischer Priester, der wie Jesus den Kontakt mit den Aussätzigen nicht gescheut hat. Für 600 von ihnen hat er auf der Hawaii-Insel Moloko gesorgt, der „Insel der Aussätzigen“. De Veuster hat sich dabei selber mit Lepra angesteckt und starb 1889. Als Kind hat mich die Geschichte von Pater Damian enorm geprägt. Und öfter schon während Corona habe ich an Pater Damian gedacht, dem sein Leben nicht zu schade war, um für die zu sorgen, die ultimativ am Rand stehen.

Und wissen Sie was? Seit geraumer Zeit ist Pater Damian nicht nur der Patron der Lepra-Kranken sondern auch der HIV-Kranken. Glücklich sind Sie, wenn Sie sich nicht mehr wissen, dass HIV/AIDS mal die „Schwulenpest“ genannt wurde. Denn das waren schlimme Zeiten in den 1980er Jahren, als diese Immunschwächekrankheit mit Homosexualität gleich gesetzt wurde – das war perfide.

Ich weiß nicht, was Pater Damian dazu gesagt hätte. Aber ich weiß leider, was die katholische Kirche lang genug zur Homosexualität gesagt hat. Und wie sie Männer und Frauen behandelt hat, die Menschen des gleichen Geschlechts lieben: Nämlich mit: totaler Isolation.

Aber: Während es der Kirche dabei um die vermeintliche „Sündhaftigkeit“ geht, geht es diesen Männer und Frauen meist um Liebe. Und ich erzähle heute davon, weil am vergangen Montag etwas passiert ist in meiner Kirche. Da haben sich auf einen Schlag ganz viele katholische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geoutet. Haben also öffentlich gesagt, dass sie schwul sind, oder lesbisch, oder bi, oder trans. Sie wollen nicht mehr wie Aussätzige behandelt werden. Sie sind an die Öffentlichkeit gegangen, weil sie sich durch diesen Schritt Heilung versprechen. Und in Sachen Sexualmoral denke ich wirklich, dass Heilung notwendig ist.

Fast nirgendwo hat die Kirche so viel Unheil angerichtet, als immer dann, wenn sie den Leuten unter die Bettdecke geguckt hat, anstatt aufs Herz zu schauen. Das nämlich ist der Maßstab der Bibel, bzw. der, von dem die Bibel über Gott spricht: „Ein Mensch sieht, was vor Augen ist; der HERR aber sieht das Herz an“ (1 Sam 6,17). Danach hat Jesus gelebt, danach hat Pater Damian gelebt. Und wenn meine Kirche es schafft, in der Frage der Sexualmoral auch danach zu leben, dann sind wir einen großen Schritt weiter.