Beiträge auf: wdr2
Kirche in WDR 2 | 12.07.2022 | 05:55 Uhr
getauft und geliebt
Bald
ist es so weit. Am letzten Sonntag in den Ferien wird Marie getauft. Marie ist
nämlich schon sechs und kommt jetzt in die Schule. Andrej, ihr Vater, ist erst
dagegen gewesen. Bloß, weil das alle machen? Oder weil sie dann zu den
evangelischen Kindern gehört? Kann sie nicht selbst entscheiden, wenn sie 14
ist? Und überhaupt, was soll denn so eine Taufe bewirken? Im Taufgespräch
erzählen mir die Eltern von Emma aus Maries Kindergarten. Zwei Jahre lang ist
sie mit ihren Eltern immer wieder im Kinderhospiz gewesen. Wegen ihres Tumors.
Im März ist sie gestorben mit gerade mal fünf Jahren. Hat Gott sie nicht
beschützt? Ist da irgendwas schiefgelaufen bei der Taufe? Auf dem Friedhof gibt
es einen eigenen Bereich für die Kinder. Auf den Gräbern Blumen, Spielzeug,
Kerzen, Bilder – das hat Maries Eltern sehr berührt. Seither möchte Mona,
Maries Mutter, umso mehr, dass sie getauft wird. „Sonst fühlt sich das so leer
an,“ sagt sie, „sie muss doch irgendwo hingehören.“ Sie glaubt fest, dass Gott
alle Kinder liebt. Dass er auch Emma geliebt hat, die so lange krank war und
jetzt gestorben ist. „Sie ist jetzt bestimmt bei Gott und hat es gut,“ meint
Mona. Andrej legt seinen Arm um ihre Schultern. Er ist einverstanden mit der
Taufe und hat trotzdem einen Einwand. „Wenn Gott alle Kinder liebt von Anfang
an, dann doch auch unsere Marie, oder? Wozu ist dann noch die Taufe nötig?“
„Das stimmt,“ sage ich, „nötig ist sie nicht. Aber sie zeigt genau das: dass
Gott eure Tochter liebt.“
Ich kann beide Eltern verstehen. Andrej möchte, dass seine Tochter das später mal selbst entscheidet. Mona weiß, dass Gott ihre Tochter nicht vor allem Schweren bewahrt. Aber sie möchte die Taufe trotzdem. Das Leben fühlt sich sonst so leer an. Und das Sterben erst recht.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius