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Kirche in WDR 2 | 09.01.2023 | 05:55 Uhr
Joan Baez
Als wir Kinder waren, hat meine Mutter viel für meine Schwester und mich gesungen. Eines unserer Lieblingslieder war „Here’s to you“ von Joan Baez. Dass es ein politischer Song, ein Protestsong ist, das ist mir erst später klar geworden. Wenn ich den Song heute höre, habe ich immer noch die Stimme meiner Mutter im Ohr und das Gefühl im Herzen: Für etwas einzustehen, ist ne richtig gute Idee.
„Here’s to you“ handelt von zwei Anarchisten in den Vereinigten Staaten der 20er Jahre.
Joan Baez hat mit dem Song für Nicola Sacco und Bartolomeo Vanzetti ein Denkmal gesetzt. Die beiden sind 1927 hingerichtet worden. Ihnen war ein Raubmord zur Last gelegt worden. Wahrscheinlicher ist aber, dass man sie auch auf Grund ihrer politischen Haltung und wegen ihrer Herkunft aus Italien aus dem Weg haben wollte. Prohibition, Zuwanderung, Korruption, Gewalt … die gängigen Vorurteile eben. Im Song heißt es „Der letzte Moment gehört uns.“ Worte aus einem Brief von Bartolomeo Vanzetti, die Joan Baez zitiert. Worte, die mir seit Kindertagen nicht aus dem Kopf gehen. „Der letzte Moment gehört uns.“
Es gibt noch einen, der von dem einen letzten Moment spricht, in dem Politik und Herkunft, Hautfarbe und all das keine Rolle mehr spielen. Und dieser eine, das ist Gott. Der letzte Moment – der letzte Moment mit uns – gehört ihm.
Das ist ein wirklich anarchistischer Gedanke. Denn das bedeutet, dass jeder und jede, gleich welcher Religion und Hautfarbe buchstäblich im letzten Moment zu Gott und damit in den Himmel kommen kann, an den ich glaube.
Hat Joan Baez natürlich alles nicht mitgedacht und Nicola und Bart – von denen sie singt – sicher auch nicht. Sie sind für ihre Prinzipien und für ihre Taten hingerichtet worden. In den 70er Jahren ist „Here’s to you“ zur Hymne der Friedensbewegung geworden. Aber friedlich war auch die Friedensbewegung nicht immer. Im Gegenteil. Was aber alle eint, ist der Gedanke der Freiheit und Gleichheit aller Menschen. Das war in den 20ern pure Anarchie, in den 70ern auch noch irgendwie und heute?
Von „alle gleich“, vor allem „alle gleich geliebt“ sind wir immer noch weit weg. Es gibt mehr Krieg und Unheil als Frieden in unserer Welt. Aber eines tröstet mich: „Der letzte Moment gehört uns.“ Uns und Gott. Dann ist endlich Frieden. Mit allen. Und überall. Ich glaub‘ das. Wirklich.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius