Eingeschränkt & fähig

Wie so oft in diesen Tagen, denn von all meinen Kolleginnen und Kollegen und meinen Vorgesetzten bekam ich ähnliche Reaktionen: Ich denke an Dich. Nimm Dir die Zeit, die Du jetzt brauchst.

Und ich bin so dankbar dafür! Dafür, dass ich mit Menschen arbeite, die ähnliche Prioritäten und Werte haben, wie ich. Die klar haben: Deine Arbeit ist wichtig, aber wirklich nicht das Wichtigste. Und die bereit sind, füreinander einzuspringen.

Und gerade weil ich darüber so dankbar bin in diesen Tagen denke ich oft daran, dass das ja echt nicht allen Menschen so geht. Dass es an den Sterbe- und Krankenbetten reichlich Angehörige gibt, von denen erwartet wird, dass sie beruflich einfach weiterfunktionieren.

„Entweder ich funktioniere oder ich bin arbeitsunfähig. Da gibt’s nichts dazwischen“ sagte mir mal jemand über seinen Arbeitgeber. Er hatte eine private Krise und war nicht so konzentriert wie sonst, arbeitete langsamer, die Kolleg*innen wurden ungeduldig, der Chef auch. „Dabei bin ich nicht arbeitsunfähig, es tut mir sogar gut, jetzt nicht nur zuhause zu sitzen, Struktur zu haben, eine Aufgabe“ erzählte er mir weiter. „Ich kann halt nur gerade nicht die Leistung bringen, die von mir erwartet wird.“

Und genau da liegt doch das Problem: Dass in Stellenausschreibungen nicht steht: „Wir erwarten von Ihnen, dass Sie immer so viel geben, wie es Ihnen gerade möglich ist, mental und körperlich.“ Es wird in vielen Betrieben und Dienststellen grundsätzlich voller Einsatz erwartet, obwohl wir ja alle wissen, dass das Leben so nicht ist. Wir können unsere Akkus nicht an Ladestationen hängen, um auf Abruf voll zu funktionieren. Mitunter laufen wir im Sparmodus.

Und für diesen Zustand gibt es offiziell kaum einen Raum, von Wiedereingliederungsmaßnahmen nach längeren Krankheitszeiten mal abgesehen. Ich glaube, es braucht mehr Akzeptanz für diesen „Ich bin gerade eingeschränkt arbeitsfähig – Zustand“, den so viele von uns kennen. Eigentlich doch wir alle, wenn wir ehrlich sind.

Ich arbeite seit einigen Monaten bei einem katholischen Verband, der setzt sich für die Belange von Arbeitnehmer*innen ein: die KAB. Und im Bistum Münster feiert die KAB grad ihr 125jähriges. Auf den großen Jubiläumsplakaten lese ich: „Es wird Zeit für ein besseres Arbeitsleben.“ Und das glaube ich unbedingt!