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Kirche in WDR 2 | 06.04.2023 | 05:55 Uhr
Am Küchentisch
Am Vorabend seiner Hinrichtung sitzt Jesus mit seinen Freundinnen und Freunden zusammen am Küchentisch. Alle sind irgendwie angespannt. Sie ahnen, was schlimmstenfalls passieren kann. Bilder der vergangenen Jahre gehen ihnen durch den Kopf: Ihr gemeinsames Unterwegssein, seine Aktionen und Taten. Und: Sie erinnern sich an seine Worte.
Gesetze sind für die Menschen gemacht und nicht umgekehrt, hat er gesagt. Dass der Hunger der Armen mit dem Lebensstandard der Reichen zu tun hat. Dass sich der Wert eines Menschen nicht an seiner Produktivität misst. Dass die Letzten die Ersten sein werden. Dass es naiv ist zu glauben, man könne Konflikte dauerhaft mit Gewalt lösen. Es werde ein völlig neues Denken gebraucht. Dringend. Eine neue Sichtweise auf die bestehenden Verhältnisse. So ähnlich hat er das gesagt. Ja, und dass Gott auf Seiten der einfachen Leute steht. Auf Seiten der Armen und der Verlierer.
Den einfachen Leuten haben die einfachen Worte gefallen. Die Mächtigen aber sind aufgebracht.
Sie
suchen nach einem Vorwand, ihn
fertig zu machen. Wer das System in Frage stellt, wird in Frage gestellt. Da
halten dann auch schon mal Politik, die Wirtschaft, Religion und Medien
zusammen.
In den gemeinsamen Jahren hat Jesus aufgezeigt, wie die Welt funktioniert. Und er hat ihnen davon erzählt, wie Gott sich die Welt eigentlich vorstellt. Für die Wanderjahre mit Jesus haben sie mal alles zurückgelassen. Ihren Beruf, ihre Familie, ihre Freunde. Sich auf ihn verlassen. Gehofft, dass er auf die große Bühne tritt und es ihnen zeigen wird. Denen dort oben. Jetzt droht die Katastrophe.
Es ist immer gut, sich zu erinnern. Sich zu erinnern, hilft zu verstehen. Und Rituale helfen, wenn einem nichts mehr einfällt. Angesichts der zu erwartenden Katastrophe haben die Freundinnen und Freunde ein gemeinsames Passamahl vorbereitet: Die Erinnerung an die Befreiung aus der Sklaverei. Wo alles am Ende zu sein scheint, erzählen sie sich die alte Geschichte vom Anfang. Und irgendwie bereitet sich dabei etwas Neues vor.
Das Wichtige passiert in der Regel nicht auf dem Sofa, sondern am Küchentisch. Hier sitzen sie ein letztes Mal zusammen: Fischer und Hirten, Handwerker und Prostituierte, Verräter und Widerstandskämpfer, Ängstliche und Sprücheklopfer, Geschäftemacher und Versager.
Mit allen
teilt Jesus das Passalamm und Wein und Brot. Ein hoffnungsvolles, ein tolles
Bild!
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius