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Hörmal | 02.04.2023 | 07:45 Uhr
Bild-Weisheit an Palmsonntag
Mit besagtem Springer-Chef Mathias Döpfner hab ich vor etlichen Jahren mal ziemlich lang allein im Aufzug gestanden, als ich ein Praktikum bei der Zeitung „die WELT“ gemacht hatte; 14 Etagen dauerte die Fahrt im Paternoster. Ich hatte ihm nichts zu sagen. Er strahlte so eine kalte Herrlichkeit aus, mir kroch der Angstschweiß aus allen Poren. „Wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten.“
Die Bibel ist nicht die Bild-Zeitung. Aber heute wird in allen Gottesdiensten eine Geschichte gelesen, die passt zu dem Aufzug-Zitat. Heute ist nämlich Palmsonntag. Und da feiern die Christen den Einzug Jesu in Jerusalem. Damals – so heißt es in der Bibel – ist die Menge wie berauscht von Jesus. „Hosianna dem Sohn Davids“ rufen sie. Einige werfen sogar ihre Klamotten auf den Boden vor diesen Wunder-Rabbi aus dem Norden, der da in die Stadt reitet. Jesus wird verehrt wie sonst ein König.
Dabei reitet Jesus nicht auf einem Pferd, wie Könige das gemeinhin machen. Jesus reitet auf einem Esel. Und mit seiner armseligen Kleidung, wird das wohl eine groteske Szene gewesen sein. Wie hätte die Bild-Zeitung wohl darüber getitelt? „Möchtegern-Messias: Ist er jetzt ganz gaga?“
Vielleicht hätte Bild noch die Euphorie des Tages abgewartet und der Springer-Chef hätte den Mann aus Nazareth erst tags drauf zum Abschuss freigegeben … ähnlich wie es das Jerusalemer Establishment damals auch getan hat.
Klar ist: Mit dem heutigen Palmsonntag beginnt für die Christen die Karwoche. In der geht es um das Leiden und Sterben von Jesus. Der große Einzug in Jerusalem ist der Anfang vom Ende.
„Wer mit der Bild-Zeitung im Aufzug nach oben fährt, der fährt auch mit ihr im Aufzug nach unten“ – der Satz wird immer dann zitiert, wenn einstmals gefeierte Promis am Boden liegen, der Boulevard nachtritt und die Promis sich dann darüber beschweren.
Schon viele Male habe ich die biblischen Erzählungen gelesen über diese letzten Tage von Jesus. Und auf eine Art rührt es mich jedes Mal, dass Jesus sich nicht beschwert. Auch nicht am Kreuz.