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Hörmal | 28.07.2024 | 07:45 Uhr
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Sidival Fila und die katholische Kunst
Vor genau einem Monat war ich in Rom. War endlich mal wieder an der Zeit, nach Corona. Wo sonst ergeben Kunst, Küche und Kirchen so einen spannenden Mix, gerade für einen Katholiken wie mich? Und dann noch das berühmte „Dolce Vita“…
Aber: Denkste! Rom ist gerade eine einzige Baustelle. Nächstes Jahr ist Heiliges Jahr. Über 30 Millionen Pilger werden dann erwartet. Rom rüstet sich für diesen Mega-Ansturm und das heißt: Rom ist gerade eingerüstet: Die Brunnen an der Piazza Navona, die Engelsbrücke: Bauzaun über Bauzaun. Auch um die berühmte Pieta von Michelangelo im Petersdom.
War ich frustriert? Nein! Denn durch Zufall durfte ich einen Künstler besuchen in seinem Atelier und da habe ich etwas erfahren über das Wesen des Katholischen, was ich so noch nicht gesehen habe.
Nun müssen Sie wissen, dass mich ein Rom-Besuch in der Regel immer etwas traurig macht über den Zustand der Kunst im Katholischen. Denn was ich in Kirchen an Kunst aus jüngster Zeit sehe, sind meist billige Gipsfigürchen von Heiligen, umrahmt von elektrischen Flackerkerzen. Katholische Kunst der Gegenwart ist eher was für Nanu-Nana-Läden als für die Nationalgalerie.
Anders der Künstler Sidival Fila. Seine Werke wurden u.a.
schon bei der berühmten Kunst-Biennale in Venedig gezeigt. Seine Kunst ist
abstrakt und ganz konkret zugleich. Und sie entsteht in einem Atelier, das
vielleicht das Schönste von Rom ist: in der Dachetage des Franziskaner-Klosters
auf dem Palatin, dem antiken Palasthügel von Rom, wo früher die Kaiser
residierten mit direktem Blick auf das Kolosseum. Warum dort? Weil Sidival Fila
zwar Künstler ist, aber zunächst Franziskaner. Und weil er für seinen Orden
Armut geschworen hat, spendet Fila alle Kaufpreise für Bildungsprojekten für
die Ärmsten der Armen[1]. Und ein Werk von ihm kann
schon mal den Wert eines Kleinwagens haben.
Woraus besteht seine Kunst? Wie gesagt: Sie ist abstrakt: Meist sind es große flächige Leinwände, die dennoch erstaunlich harmonisch wirken. Und je näher ich an sie herangehe, offenbaren sie eine spannende Struktur. Fila malt nicht, Fila näht, Fila knüpft. Wo immer er an alte Stoffe kommt, z.B. von Priestergewändern, dann kauft er sie und näht sie in einer mühevollen Kleinarbeit zu etwas Neuem zusammen. Dieses Nähen ist das Konkrete, das dem Abstrakten eine eigene Wertigkeit gibt. Wenn er in seinem Atelier mit Blick auf das Kolosseum Stich für Stich den uralten Stoff durchdringt und neu auf Spannung bringt, dann hat das etwas von Meditation.
Und was habe ich dabei über das Katholische gelernt? Sidival Filas Kunst ist insofern katholisch, weil sie genau mit dieser Spannung arbeitet, das Alte nicht wegzuwerfen, sondern es neu zu veredeln. Das schont nicht nur die Ressourcen, sondern wertschätzt das, was früher einmal war. Das zu tun ist Arbeit. Und ist spannungsgeladen. Es braucht die vielen kleinen Stiche, um voranzukommen, um etwas Neues zu schaffen von moderner Schönheit. Nicht anbiedernd, nicht gipsig-kitschig, sondern einfach: exzellent-schön. Nicht zuletzt gut christlich ist auch, dass der Künstler sich daran nicht bereichert, sondern seine kreative Kraft am Ende in Werke der Barmherzigkeit investiert.
Mich hat der Besuch im Atelier von Sidival Fila noch mal bestärkt darin, was es heißt, katholisch zu sein. Und der nächste Rom-Besuch ist schon in Planung für den Zeitpunkt, wenn die Gerüste weg sind und vielleicht die Pilgerströme etwas kleiner als im Heiligen Jahr 2025.
[1] https://www.fondazionesidivalfila.org/en