Beiträge auf: wdr2
Hörmal | 04.08.2024 | 07:45 Uhr
Ich denk an dich
Autorin: “Ich denk’ an dich” – ein bescheidener kleiner Satz. Aber er hat eine mächtige Wirkung. Nicht wie ein Tornado, das nicht, eher wie eine flüchtige Melodie, die von irgendwo herüberweht. Und mich begleitet. „Ich denk‘ an dich“, wenn du eine schwierige Prüfung vor dir hast. Eine schmerzhafte Operation. Oder ein Gespräch, das viel Mut erfordert. Ein Satz, wie ein fein gesponnener Schutzmantel für die Seele: Ich bin nicht allein. Auch nicht in der schlimmsten Dunkelheit.
In der Bibel etwa ist vom „Buch des Lebens“ die Rede. Noch ein paar Nummern größer, finde ich. Denn das „Buch des Lebens“, das ist das große Gedächtnis Gottes für jeden Menschen – und ein Zeichen seiner Liebe.
Für den Essener Pfarrer Achim Gerhard-Kemper bedeutet das …
O-Ton: …. dass jeder Mensch, der lebt, der über diese Erde geht und ein Schicksal hat, das dann vielleicht auch schwer ist, besonders von Gott gesehen wird, von Gott beachtet wird und bei Gott nicht vergessen ist …
Autorin: … so wie die Menschen etwa, die niemanden haben, der oder die sich um ihre Beerdigung kümmert. Nur das Ordnungsamt, das sie anonym bestattet, namenlos. In Essen feiern die christlichen Kirchen deshalb jeden Monat einen „Gedenkgottesdienst für die Unbedachten“ der Stadt, wie Achim Gerhard-Kemper in der Citykirche erzählt.
O-Ton: Da liegt ja hier in der Marktkirche dann auch eine Liste von den Menschen aus, die wir monatlich da nennen, die also versterben, und das nennen wir auch „Buch des Lebens“.
Autorin: Eine Kerze, ein Eintrag, die Erinnerung an einen unbekannten Menschen als Zeichen der Einzigartigkeit – darum geht es auch bei der christlichen Aktion „Beim Namen nennen“, jedes Jahr zum Weltflüchtlingstag am 20. Juni. Auch in der Marktkirche in Essen werden dann über viele Stunden hin die Namen von Tausenden von Flüchtlingen verlesen, die im Mittelmeer umgekommen sind, bei Grenzkontrollen oder in Lagern.
O-Ton: Und das“ Buch des Lebens“ ist ja ein Versuch auch deutlich zu machen, dass das Leben, so schrecklich es hier auch geendet ist, nicht umsonst war. Sondern dass jedes Leben wertvoll ist und die Menschenwürde für jedes Leben auch gilt.
Autorin: … sagt Mitorganisator Gerhard-Kemper, auch wenn in den langen Listen oft nur „unbekannt“ steht, ein ungefähres Alter und das Datum einer Schiffshavarie. Das Lesen und Zuhören ist traurig und bedrückend, aber es hat auch etwas Tröstliches. Denn es schafft ein „Mahnmal der Menschenwürde“ und des Protests gegen Unmenschlichkeit.
„Ich denk an dich“, so gesehen kann dieser kleine Satz eine geballte Menge göttlicher Power entfalten.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius