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Hörmal | 25.08.2024 | 07:45 Uhr

Nashörner

Ein Nashorn galoppiert durch eine kleine Stadt. So beginnt das Theaterstück „Die Nashörner“ von Eugène Ionesco. Der Erzähler und sein Freund sind natürlich verblüfft. Vielleicht sollte man etwas unternehmen. Dann wird eine Katze von dem Rhinozeros zertrampelt. Manche in der Stadt bekommen Angst. Wo wird das noch hinführen? Andere beruhigen. Wird schon nicht so schlimm werden!


Doch dann spricht sich herum, dass sich ein Bewohner der Stadt in ein Nashorn verwandelt hat. Und schon bald verwandeln sich weitere Bürgerinnen und Bürger in Nashörner. Selbst der Freund des Erzählers wird zu einem Rhinozeros. Ja, die ganze Stadt verwandelt sich. Am Ende bleibt nur noch der Erzähler übrig. Er allein - so ganz anders als alle anderen. Fast ersehnt er sich eine Verwandlung: „Ich wäre gern wie sie….“ Aber er kann´s einfach nicht. Er kann sich nicht verwandeln! Er beschließt, Mensch zu bleiben.


In der Vorkriegszeit erlebt Eugène Ionesco in Rumänien, Zitat: „wie Menschen zu Tieren wurden.“ Alle seien damals Nazis geworden: „Die Intellektuellen, die Lehrer, die Zeitungen, die Menschen auf der Straße.“ Junge Studenten warfen jüdische Kommilitonen aus dem Fenster der medizinischen Fakultät und fühlten sich dabei noch im Recht. „Es gab eine neue Wissenschaft, eine neue Biologie, eine neue politische Ökonomie, eine neue Moral“ so Ionesco. Sein eigener Vater schlug in der Familie Hausangestellte. Und alle außer seinem Sohn fanden das normal. Was ist daran falsch, wenn doch alle Nashörner sind?


Das Theaterstück von 1959 berührt grundlegende Fragen zu Machtmissbrauch, Veränderungsprozessen und dem, wie wir Menschen uns verhalten, wenn es politisch schwierig wird. Was passiert, wenn Lüge zur Wahrheit erklärt wird? Wenn sich menschenverachtende Positionen in der Politik und in den Medien schleichend durchsetzen und am Ende für normal gehalten werden? Wie verhalten wir uns, wenn Kriegstauglichkeit und Aufrüstung wieder als alternativlos verkauft und Diplomatie diskreditiert wird? Die Welt hat sich verändert, so wird gesagt. Zum Schlechten. Neue Zeiten werden ausgerufen. Es fällt mir schwer, mich zu orientieren, wenn sich alles wandelt. Wenn sich alle verwandeln. Verwandele ich mich dann auch? Oder bleibe ich allein?


Die Nashörner sind wieder in der Stadt und vermehren sich gerade auf beängstigende Weise. Allein zu bleiben, ist allerdings keine Option. Im Gegenteil! Ich treffe immer wieder Menschen, die zwar auch verunsichert sind, die aber fest glauben, dass Nashörner nichts in der Stadt zu suchen haben.

Vor circa 2000 Jahren gab es schon mal eine Zeitenwende. Damals hat Gott entschieden, Mensch zu werden. Wir sind also in guter Gesellschaft, wenn wir beschließen, Mensch zu bleiben.



Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius


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