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Kirche in WDR 2 | 29.07.2024 | 05:55 Uhr
4 Stunden, 51 Minuten
Heute ist wieder Montag, und weil heute Montag ist ist das Wochenende leider auch schon wieder vorbei. Tja. Und vielleicht gehören Sie ja zu den besonders disziplinierten Frühaufstehern und sind nach Ihrer Joggingrunde gerade unter die Dusche geschlüpft. Und vielleicht haben Sie diese Runde ja heute mit einem kleinen Tick mehr Tempo und Ehrgeiz absolviert als sonst. Weil Sie mit Ihren Gedanken in Paris sind. Paris ist in diesen Tagen ja der Olymp vieler Sportlerinnen und Sportler. Denn heute ist ja schon der vierte Tag der Olympischen Spiele. Auch heute gibt’s Medaillen. Zum Beispiel im Judo, Fechten und Geräteturnen. Oder auch im Kanu-Slalom. Für viele ist die Teilnahme an den Spielen ein unvergesslicher Höhepunkt in ihrem Leben. Und nicht wenige sagen, es ist einerlei, ob sie nun am Ende ihres Wettkampfs auf dem Medaillentreppchen stehen oder nicht.
Ich bin in meinem Leben einmal einen Marathon gelaufen. Das ist nun schon 22 Jahre her. Damals hatte ich schon länger mehr oder weniger regelmäßig, aber auf einem überschaubaren Niveau Laufsport betrieben. Und Petra, eine ehemalige Kollegin und Freundin von mir hat damals mit mir eine Wette abgeschlossen: „Wenn du es schaffst, den Marathon in Köln zu laufen, dann lade ich dich für ein Wochenende nach Paris ein. Falls du es nicht schaffst, musst du mich einladen.“ Tja.
Ich habe ein halbes Jahr vor dem Wettkampf mit dem Vorbereitungstraining angefangen. Bin im Regen gelaufen, bei Hitze, in der Stadt, im Urlaub, auf dem Land, einsam und alleine oder auch mit Trainingspartnern. Ich bin die Kölner Brücken abgelaufen, von Norden nach Süden. Das Rheinufer rauf und runter. Immer wieder. Ein unfassbares Gefühl. Kamen Läufer entgegen, haben wir uns wissend zugewunken. Noch so einer. Ich weiß, wie es dir geht. Ich bewundere dich. Verbundenheit ohne viele Worte.
Schließlich ist der Tag des Wettkampfs gekommen. Das Gefühl, mit vielen tausend anderen Menschen gemeinsam zu starten und durch Köln zu laufen: Unbeschreiblich. Motivierend, euphorisierend – ein Gemeinschaftsgefühl, was ich bis dahin noch nie erlebt habe. Bei Kilometer 30 ist dann die Krise gekommen. Die Beine sind schwer geworden. Und eine innere Stimme hat geflüstert: „Wenn du jetzt in die U-Bahn steigst, bist du im zehn Minuten zu Hause.“ Ich hab eine Gehpause eingelegt, das weiß ich noch genau. „Gelingende Pause“ nennt man das in der Trainingslehre. Nach etwa einem halben Kilometer Gehen hab ich dann wieder mit dem Laufen angefangen. Und was soll ich sagen: Es lief dann wie auf Schienen, wie im Rausch. Der Jubel und das Geschrei der Zuschauer haben mich schließlich bis vor den Dom getragen. Einer hat mir noch eine halbe Banane zugesteckt. Und dann: Mein Zieldurchlauf. Unbeschreiblich. Heulen, Kreischen, Lachen. Pures Glück.
Vier Stunden, 51 Minuten. Dein Herzmuskel pumpt. Radabum,
radabum. Lebendigkeit in jeder Zelle. Du fühlst dich verbunden, geliebt,
gemeint, getragen. Das Leben ist gut. Und dieses Gefühl ist so wichtig. Nicht
nur in Paris. Und nicht nur an einem Montagmorgen.