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Kirche in WDR 2 | 01.08.2024 | 05:55 Uhr
Meine Handschrift
Dieser Tage will mir eine ältere Dame, für die wir regelmäßig einkaufen, am Telefon ihren Einkaufszettel diktieren. So richtig Oldschool, ganz ohne Handy. Kein Thema, sage ich, das schreib ich mir doch kurz auf und dann läuft die Sache. Leichter gesagt als getan. Ich: den erstbesten Kuli aus unserer Stifte-Tasse gegriffen und der will natürlich nicht mehr schreiben, war ja auch schon ewig nicht mehr in Gebrauch. So‘n Mist. Und dann ist natürlich der Zettelblock mal wieder weg. Das ist immer so.
Ah, Moment bitte, ja, jetzt hab ich alles, na dann mal los: Butter, Mehl, Eier und der Spinat mit dem Blupp und nur der, sowie Sprühstärke und nur die von Früher, alles sehr spezielle Sachen. Muss ich deshalb präzise aufschreiben und das noch unter Zeitdruck mit der Hand gekritzelt. Super, alles notiert, wird gemacht und auf Wiederhören. Kurz danach aber kann ich meine eigene Schrift nicht mehr lesen.
Wann haben Sie das letzte Mal mit der Hand geschrieben? Ich jedenfalls schreibe zwar viel und auch jeden Tag, aber fast gar nicht mehr mit Stift und Papier. Wirklich schade, denn jeder und jede von uns hat eine eigene Handschrift. Und richtig: Das Wort Handschrift wird auch als Sinnbild benutzt. Sogar meine Beiträge hier bei Kirche im Rundfunk tragen, trotz dem sie getippt sind, eben auch meine ganz besondere Handschrift.
Alle Gemälde der großen Maler oder Songs von Musikerinnen und Musikern sind an ihrer jeweils ganz persönlichen Handschrift zu erkennen.
Ein Bob Dylan-Song natürlich an seiner nöligen Stimme, Picasso, van Gogh oder Vivaldi erkenne ich am Pinselstrich oder mit jeder Tonfolge.
Hand aufs Herz, ein handschriftlicher Liebesbrief unterscheidet sich enorm von einer Kurznachricht welcher App auch immer.
Die Graphologie, also die Lehre von der Handschrift, bedeutet rein wörtlich erstmal nur Lehre vom Schreiben, geht aber weiter und tiefer.
Weil keine Handschrift der anderen gleicht, könnten graphologische Profis aus jeder unserer Handschriften und wahrscheinlich auch aus dem Einkaufszettel mit meiner Sauklaue auf meine Persönlichkeit schließen.
Niemand ist wie du und ich, bestenfalls ähnelt man anderen. Aussehen, Stimme, sogar dumme Angewohnheiten, Geschmack: alles unverwechselbar und total einmalig. Dich und mich gibt es eben nur einmal.
Beschenken wir uns gegenseitig nicht nur zu festlichen Anlässen mit dem, was nur wir können, mit dem was uns niemand nachmacht und wenn es eine kurze handschriftliche Notiz ist…aber bitte nicht so kritzeln. Sonst kann das hinterher niemand mehr lesen.