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Kirche in WDR 2 | 22.08.2024 | 05:55 Uhr
Beim Namen gerufen
Eine junge Frau erzählt von ihrer kleinen Tochter. Sie hat noch genau zwei Tage Zeit, um ihren Namen festzulegen. Dann läuft die Frist ab, drei Monate. Ich staune. Das Kind ist fast drei Monate auf der Welt und hat noch keinen Namen? So ist die Regel. In Schweden kann man sich Zeit lassen. Und der Name soll ja zu ihrer Tochter passen. – Also ich könnte das nicht. Wir reden sie denn mit der Kleinen? „Schatz“, „Maus“, „kleiner Troll“?
„Gott spricht: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein“, heißt ein beliebter Taufspruch. Das ist ein Satz aus der Bibel, der bei der Taufe gesagt wird. Als ein Versprechen Gottes. Was für eine schöne Vorstellung, dass Gott uns mit Namen kennt. Jede und jeden einzelnen. Persönlich. Unverwechselbar. Jede Taufe zeigt das für diesen einen Menschen.
Im März 2014 verschwindet Flug MH370 von Kuala Lumpur nach Peking plötzlich vom Radar. 239 Personen sind an Bord. Paul Weeks ist Bergbauunternehmer aus Neuseeland. Er sitzt ganz vorn auf Platz 2K. Rodney und Mary Burrows sitzen auf den Plätzen 20A und C. Die beiden Australier wollen ihren Ruhestand feiern und sind unterwegs nach China. Zhang Si Ming auf Platz 22H ist Chinesin. Sie hatte in Kuala Lumpur eine Ausstellung. 239 Personen sind an Bord. Die Website „The Hunt for MH370“ nennt sie alle mit Namen (1). Diverse Wrackteile sind über die Jahre an Land gespült worden, die Passagiere gelten als tot. Doch diese Website wirkt auf mich wie ein Buch des Lebens. Kleine Portraits sind entstanden, Zitate von Angehörigen, Angaben zu Beruf oder Reiseziel, die letzten Posts auf facebook oder Twitter. Das alles kann beliebig oder austauschbar wirken. Einmalig und besonders wird es, weil es verbunden ist mit diesem einen Namen.
Ich habe dich bei deinem Namen gerufen, du bist mein: 24 Stunden lang sind am 20. Juni, dem Weltflüchtlingstag, in Sankt Reinoldi, der Evangelischen Stadtkirche in Dortmund, Namen verlesen worden. Es sind die Namen von Geflüchteten, die an den Grenzen Europas ums Leben gekommen sind. Mehr als 60.000 sind es in den letzten 30 Jahren. Plötzlich ist das keine unvorstellbare Zahl mehr, sondern es sind Menschen, die ich mir vorstellen kann.
Wie gut, dass wir bei Gott einen Namen haben. Für alle Zeit. Niemand wird vergessen. Jede und jeder ist wichtig. Jedes einzelne Leben wird gesehen und gewürdigt. Gott sei Dank.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius