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Kirche in WDR 2 | 23.08.2024 | 05:55 Uhr
Mensch sein
In einem Magazin stoße ich auf einen Fragebogen. Es sind Fragen zur eigenen Persönlichkeit oder wie man heute sagt: Identität. Ich habe Lust, das mal für mich durchzugehen. Es sind fünf Fragen. Schon dass meine Identität so genau aufgedröselt werden kann, wundert mich.
Erste Frage: Zählen Sie sich zu einer ethnischen oder kulturellen Identität? Da muss ich schon nachdenken. Ist „deutsch“ eine Ethnie, geht es um sowas wie Volkszugehörigkeit? Ich google das. Eine „Ethnie“ ist eine Gruppe mit einem starken Wir-Gefühl und sie grenzt sich gegenüber anderen ab. Ich hab in den 90ern ein paar Jahre in Berlin-Friedrichshain gelebt, unser Freundeskreis war komplett ostdeutsch. Die hatten ein starkes Wir-Gefühl. Ich glaube, ich bin ein assimilierter Rheinländer mit Sympathie für den Osten. Zählt das?
Zweite Frage: Welcher Rasse gehören Sie an? Ups. Hier merke ich, dass der Fragebogen ursprünglich aus den USA kommt. Soll das Wort „Rasse“ bei uns nicht aus dem Grundgesetz gestrichen werden? Weil es „Rassen“ doch nur bei Katzen oder Hunden gibt? Ich google wieder und stoße auf einen anderen Persönlichkeitstest: „Welche Hunderasse wärt ihr?“ steht da. Ich lache. Natürlich ein Labrador.
Drittens: Zu welcher Geschlechtsidentität zählen Sie sich am ehesten? Das ist einfach für mich: männlich. Kurz denke ich über die Worte „am ehesten“ nach, gehe aber über zu Frage vier: Mit welcher sexuellen Identität identifizieren Sie sich am meisten? Ich habe gelernt, die sexuelle Identität kann fließend sein, besonders fluide ist sie wohl bei jungen Menschen und bei Erwachsenen ab 65. Es gibt also noch Möglichkeiten. Stand heute: hetero.
Letzte Frage: Sind Sie der Ansicht, dass Sie eine Behinderung oder ein langfristiges Leiden haben? Ist das Ansichtssache? Eine Krebserkrankung hat mir für fünf Jahre einen Behindertenausweis beschert. Aber ist das jetzt Teil meiner Identität? Ich leide glaube ich am meisten unter einem gewissen Identitäten-Überdruss. Ich finde, jede und jeder soll einfach sein, wie und was er/sie/es sein will. Macht einfach! Seid, wer ihr seid! Lebt euer Leben, wie ihr es für richtig haltet! Der Apostel Paulus hat einmal an die christlichen Gemeinden geschrieben: „Es spielt keine Rolle mehr, ob ihr Juden seid oder Griechen, Sklaven oder freie Menschen, Männer oder Frauen. Denn durch eure Verbindung mit Christus seid ihr alle wie ein Mensch geworden.“ (Gal 3,28; BasisBibel). Mensch sein. Damit kann ich mich am meisten identifizieren. Passt auch gut zum Grundgesetz: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Ohne jeden Unterschied.
Angeregt durch: https://www.spiegel.de/panorama/intimer-verlags-fragebogen-fuehlen-sie-sich-als-transgender-kolumne-a-55ba1a80-5c9b-445e-8bfe-7813cb8f1516, zuletzt aufgerufen am 01.07.2024
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius