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Kirche in WDR 2 | 24.08.2024 | 05:55 Uhr

Liebster Bruder

Er findet den Zettel in der Schublade. „Liebster Bruder,“ steht da, die Anrede dick unterstrichen, „Ich liebe dich genauso, wie du bist! Danke, dass du mich auch deine zarte Seite sehen lässt. Du bist wunderbar. Dicker Kuss, Dein Schwesterchen.“

Wann hat sie das geschrieben? Es muss schon ein paar Jahre her sein. Er erinnert sich an ihren Besuch. Ein Wochenende. Gemeinsam kochen, quatschen, erzählen, sich anlehnen. Und dann hat sie diesen Zettel geschrieben und ihn heimlich auf den Schreibtisch gelegt, bevor sie gefahren ist. Er hält ihn in der Hand und ist wieder so berührt wie damals. „Danke, dass du mich auch deine zarte Seite sehen lässt“. Nicht immer stark sein müssen, denkt er, wie gut das tut! Als großer Bruder, der so viel älter ist, so viel kann und weiß. Sich zeigen können, auch mit den zarten Seiten, den schwachen, den verletzlichen. Das ist schon Liebe, denkt er. Minutenlang sitzt er da, lässt den Gedanken ihren Lauf und ist einfach nur dankbar. Was für ein Geschenk!

Das mit seiner Schwester war nicht immer so. Streng genommen ist sie seine Halbschwester. Früher hat er das auch so gesagt, damit alle andern den Altersunterschied verstehen. Manchmal hat ihr das einen kleinen Stich versetzt. Er hat es aber nicht gemerkt.
Zusammen mit ihrer Schwester ist sie in der zweiten Familie seines Vaters aufgewachsen. Bei seiner Hochzeit haben sie Blumen gestreut. Die Familien besuchen sich, manches ist schön, manches ist schwierig. Wie das so ist.

Als junge Erwachsene sucht sie mehr Kontakt. Eine eigene Sicht aufs Leben, eine eigene Beziehung zu ihm, dem großen Halb-Bruder. Sie sagt: Sie fühle sich nicht gesehen. Oft nicht ernst genommen. Das tue ihr weh. Sie schreiben sich Briefe. Er versteht etwas und entschuldigt sich. Liebe ist nicht nur ein Geschenk, man kann auch etwas dafür tun, denkt er. Und mit etwas Glück geht alles auf. Dann gibt es Resonanz. Wie schön!

Als sie studiert und ihr Leben gerade ein wenig durcheinander ist, zieht sie für ein paar Monate zu ihm und seiner Familie. Im Gästezimmer ist Platz und in seinem Herzen sowieso. Am Ende wird es ein dreiviertel Jahr. Wenn seine große Tochter und seine kleine Schwester nacheinander das Haus verlassen, wundert sich die Nachbarschaft. „Das ist meine Schwester“, sagt er auf dem Sommerfest, und sie freut sich. Liebste Schwester, ich liebe dich auch, denkt er, und stellt den Zettel so ins Bücherregal, dass er ihn sehen kann.


Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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