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Kirche in WDR 2 | 18.07.2024 | 05:55 Uhr
Drachen töten
Ganz oben auf der Kanzel in der St. Margaretha Kirche in Hohenwepel in der Warburger Börde steht der Erzengel Michael, wie er gerade einen Drachen besiegt. Über dem Hochaltar der Kirche ist zudem die heilige Margaretha zu sehen, wie sie mit Hilfe eines Kreuzes ein schlangenartiges Monster vertreibt.
Mit diesen Bildern im Kopf aus meiner Heimatkirche laufe ich seit über fünfzig Jahren in der Weltgeschichte rum. In meinem Hippocampus, der zentralen Schaltstelle für Erinnerungen im Gehirn, sind sie für immer eingebrannt. Und immer, wenn was ganz Schreckliches passiert in der Welt oder in meinem ganz persönlichen Alltag, dann sehe ich sie schon vor mir: die Monster und Drachen aus meiner Heimatkirche.
Mir nutzen die alten Bilder aus meiner Dorfkirche tatsächlich wieder etwas. Sie sprechen nämlich das Unaussprechliche aus. Sie zeigen, dass das Böse da ist, und sie zeigen mir sogar, wie es aussieht. Kommen Sie in die St. Margaretha-Kirche in Warburg Hohenwepel, da können sie sich das alles anschauen – übermorgen ist sogar „Margarethen -Tag.“
Wie auch immer: Nach nunmehr 57 Lebensjahren kann ich sagen: Ich habe über das Böse nicht immer nur müde gelächelt, nein ich hatte stellenweise auch wirklich Angst davor.
Im Christentum ist der Drache ein Symbol für den Teufel. In der Offenbarung im Neuen Testament wird er sogar feuerfarben und mit sieben Köpfen beschrieben.
Es geht aber auch ganz ohne die Bibel, denn wer hatte nicht schonmal ein Monster unterm Bett? Und manchmal konnten nur unsere eigenen Eltern durch ganz gute Worte dafür sorgen, dass es plötzlich nicht mehr da war. Nur sie konnten den Drachen töten.
Das Böse, das waren für mich auch später noch tödliche und lebensbedrohliche Krankheiten, aber auch Beziehungen und Feindschaften, die scheinbar nicht zu lösen waren.
In meiner Kirche da stehen sie auch rum,
die Drachen:
als die Lüge, als
Missbrauch, als das Machtbesessene.
Und ja: Als langjähriger Kirchen-Mitarbeiter
lässt es sich gar nicht so schlecht existieren in dieser christlichen
Komfortzone, denn in Seelsorge, Caritas und Bildung tun wir alle jeden Tag
richtig viel Gutes. Vieles davon kommt in unserm derzeitigen Skandalimage unter
die Räder. Doch das Böse das ist auch da, manchmal ganz nah und allgegenwärtig,
es macht nicht Halt vor meiner Kirche, weder institutionell noch rein
räumlich.
Die alten Darstellungen, der Erzengel Micheal und die heilige Margaretha, zeigen mir, dass wir die Drachen und Monster besiegen können. Das Böse kann nämlich nur dorthin, wo es niemand geschafft hat, ihm durch Gutes den Platz wegzunehmen