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Kirche in WDR 2 | 13.08.2024 | 05:55 Uhr

Erster Einsatz der Cap Anamur

Es gibt ja immer was zu feiern. Heute zum Beispiel den ersten Einsatz des Rettungsschiffs Cap Anamur! Ich weiß nicht, ob Sie sich noch an dieses Rettungsschiff erinnern. In meiner Jugend war die Cap Anamur so etwas wie eine moderne Arche Noah – nur nicht für Tiere, sondern für Menschen.

Die Menschen, um die es damals geht, wurden „Boatpeople“ genannt. Heute vor 45 Jahren erreicht die Cap Anamur das Südchinesische Meer. Sie rettet diese Boatpeople vor Piratenüberfällen, Unwettern und dem Ertrinken auf hoher See. Warum waren diese Menschen da auch hoher See? Sie hatten keine Heimat mehr. Die Republik Vietnam war untergegangen. Nach dem Vietnamkrieg drohte diesen Menschen, in Umerziehungslager eingesperrt werden zu werden. 2,5 Millionen Menschen landeten im Umerziehungs-Knast.
165.000 Vietnamesen sterben dabei. Die, die damals fliehen können, haben ein massives Problem: Kein Nachbarland will sie aufnehmen. Weil sei nirgendwo Asyl bekommen, fliehen
1,6 Millionen Menschen per Boot über das südchinesische Meer. In überladenen und schrottreifen Booten. Dabei sterben dreimal so viele Menschen, wie die Stadt Troisdorf bei Köln Einwohner hat. 250.000 Tote finden im südchinesischen Meer ihr Grab.

Warum ich den Zahlenvergleich mit Troisdorf gemacht habe? Weil genau aus Troisdorf damals Hilfe kommt. Vom Ehepaar Christel und Rupert Neudeck. Über diese beiden hat Günter Grass geschrieben: „Wir haben in diesem Fall mit Idealisten zu tun, die sich einen Dreck um bestehende Vorschriften, Richtlinien und so weiter kümmern. Vielmehr sind sie, …, felsenfest davon überzeugt, die Welt bewegen zu können.“ Und die Neudecks haben damals die Welt oder zumindest die Herzen der Menschen in Deutschland bewegt. Sie gründen den Verein „Ein Schiff für Vietnam“ mit dem Ziel ein Rettungsschiff ins südchinesische Meer zu schicken. Nach einem Spendenaufruf in der Sendung „Report Baden Baden“ kommen innerhalb von 3 Tagen 1,2 Millionen D-Mark an Spendengeldern zusammen. Diese riesige Summe macht es den Neudecks möglich, ein Transportschiff zu chartern und in ein Hospitalschiff umzubauen: die Cap Anamur. Mit diesem Schiff werden 9500 Menschen gerettet, 35.000 Menschen werden medizinisch versorgt – halb so viel, wie Troisdorf Einwohner hat. Alle Flüchtlinge, die an Bord kommen, erhalten auch in Deutschland Asyl. Im Landkreis Aurich arbeite ich viel mit ehemaligen Boatpeople und deren Familien zusammen, die dort das Rückgrat der katholischen Gemeinde bilden und viel Gutes für ihre Mitmenschen tun. Ganz im Sinne des Ehepaar Neudeck aus Troisdorf, dass damals fast Übermenschliches geleistet. Radikal waren sie in ihrer Mitmenschlichkeit. Radikal für die ärmsten der Armen, trotz aller Kritik und Entbehrungen. Rupert Neudeck hat einmal gesagt: „Ich möchte nie mehr feige sein. Cap Anamur ist das schönste Ergebnis des deutschen Verlangens, niemals wieder feige, sondern immer mutig zu sein.“

Wenn wir uns heute also ein wenig darüber Gedanken machen, wie wird mit ein klein wenig Mut etwas für einen Mitmenschen tun können, dann ist der Jahrestag des ersten Einsatzes der Cap Anamur ein Fest, dass es sich zu feiern lohnt.