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Kirche in WDR 2 | 17.09.2024 | 05:55 Uhr

Perfekt

„Lara-Larissa, bravo! Das hast du so schön gemacht!“ Die junge Mutter ist außer sich vor Stolz. „Nein, hat sie nicht.“, flüstert die Frau neben ihr. Und verzieht das Gesicht. Heute ist Schulaufführung. Grundschule. Die Kinder haben in den vergangenen Wochen ein kleines Programm eingeübt. Die einen spielen einen Sketch, andere tanzen einen Blumentanz. Manche singen. Und Lara-Larissa spielt Geige. Bis zur absoluten Perfektion ist bei ihrer Darbietung, sagen wir mal, noch Luft nach oben. „Wann hört das Gekratze endlich auf? Die soll zuhause ihre Eltern nerven.“ Zum Glück hört Lara-Larissas Mutter das halblaut geflüsterte Geschimpfe ihrer Sitznachbarin nicht. Sie ist so gerührt, dass sie keine Augen und Ohren hat für das, was um sie herum passiert.

Ich schon. Ich sitze in der Reihe dahinter und schaue mir dieses Spiel an. Mit wechselndem Verständnis. Zugegeben: Die Aufführung eines Violinenstücks durch ein sieben Jahre altes Kind kann ein bisschen nervenzehrend sein. Aber im Herzen bin ich doch bei Lara-Larissa und ihrer überschwänglichen Mutter. Perfekt ist anders. Aber wer sagt, dass jemand perfekt sein muss? Wir haben uns an das Perfekte gewöhnt heutzutage. Wir streamen perfekte Musik, bei denen der Computer den kleinsten unsauberen Ton des Sängers geradegezogen hat. Bei Instagram sehen wir Bilder von perfekten Menschen, die durch KI-Filter und Photoshop noch schöner gemacht werden, als sie sowieso schon sind. Alles perfekt. Man gewöhnt sich daran. Und vergisst manchmal, dass die wirkliche Welt da nicht mithalten kann. Auch man selber nicht. Deshalb mag ja heute auch kaum noch jemand selber singen. „Ne, da schäm ich mich. Das kann ich nicht.“ Deshalb gehen die Verkaufszahlen für Abnehmspritzen durch die Decke. Deshalb traut sich niemand Fotos zu zeigen, die nicht durch einen Filter gegangen sind. Wenn man nur mit sich und der Welt zufrieden sein kann, wenn alles perfekt ist, ist man nie zufrieden.

Lara-Larissa kümmert das nicht. Sie kann Geige spielen. Schief. Aber selber. Und sie ist glücklich, genau wie ihre Mutter. Eigentlich schön, wenn man das kann. In der Bibel steht ganz am Anfang: Als Gott fertig ist mit seiner Schöpfung, da schaut er sich das Ganze noch einmal an. Und er ist zufrieden. Es ist sehr gut, wie es ist. Sagt er. Von perfekt ist nicht die Rede. Ich habe mal den Spruch gehört: „Das Paradies ist nicht da, wo alles perfekt ist. Das Paradies ist da, wo man mit dem Unperfekten Frieden geschlossen hat.“ Wenn das stimmt, ist Lara-Larissa bestimmt näher am Paradies als ich.


Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius

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