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Kirche in WDR 2 | 02.10.2024 | 05:55 Uhr
Gesprächsbereit
Wir sitzen mit Freunden im Garten. Bei Wein und nervigen Mücken. Wir reden über die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, in Brandenburg. Je deutlicher die anderen sagen, dass man mit denen von der AfD nicht reden kann, desto leiser werde ich. Denn mehr als alles andere schätze ich an unserer Demokratie, das eben mit jedem und jeder geredet werden muss. Auch wenn mir nicht immer passt, was mein Gegenüber sagt. Aber einfach nur weggehen, ist für mich keine Option.
Ich weiß genau, was die Menschen wählen, die mir nach dem Gottesdienst einen schönen Sonntag wünschen, die ich im Supermarkt treffe oder an der Tanke. Denn: Die AfD ist bei der vergangenen Europawahl auch in meinem Ort über 10% gekommen. Mit anderen Worten: Ich bin täglich – mal mehr oder weniger - im Gespräch mit Menschen, die diese Politik unterstützen oder zumindest interessant finden. Und das ist auch ganz in Ordnung, finde ich.
Meine Freunde und Freundinnen finden, ich heuchle und beziehe nicht Position. Ob ich nicht finde, dass ich jedem und jeder immer klar sagen müsste, dass das, war er oder sie wählt menschenverachtend ist? Ich könne doch nicht ernsthaft mit Menschen reden wollen, die „Ausländer raus!“ brüllen. Verstehen kann ich sie. Aber ich denke: Menschen sind nun mal in erster Linie genau das: Menschen. Und ich glaube: Alle Menschen sind von Gott gemacht – grundsätzlich dazu gemacht, Gutes zu tun. Und ich sehe: Menschen haben Angst. Und über Ängste kann man sprechen.
Wo der Spaß für mich aufhöre, wollen meine Freunde wissen. Bei Hass sage ich. Da kann ich nicht mehr reden. Da fehlen mir die Worte. Wenn einer einem Menschen den Tod wünscht, sagt, dass ein Mensch nichts wert ist. Da hört’s bei mir auf. Denn ich glaube auch, dass alle Menschen gleich und frei an Rechten sind. Unser Grundgesetz sichert das von staatlicher Seite her ab. Von kirchlicher Seite tut das das Evangelium.
Jesus hat nie aufgegeben. Er ist immer zu den Menschen hingegangen und hat auch mit denen geredet, von denen alle anderen sagten: Das gehe ja gar nicht. Jesus hat mit Menschen geredet und ihnen nahegelegt „umzudenken“ – so jedenfalls erzählt es die Bibel.
Die Evangelische Kirche im Rheinland hat zu den Argumenten, die die AfD im Wahlkampf und in ihrem Parteiprogramm nutzt, eine klare Haltung: Sie sind nicht mit unseren Grundwerten vereinbar. Und ich sage: Mit meinem Glauben auch nicht. Aber Wegducken gilt nicht.
Auseinandersetzung ist das, was Demokratie ausmacht. Dass ist, was wir morgen – am 03. Oktober, dem Tag der deutschen Einheit – feiern. Das Miteinander. Und dafür hilft reden. Solange es geht.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius