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Kirche in WDR 2 | 04.10.2024 | 05:55 Uhr
Klassenfahrt
Sie ist sauer. So, wie man wahrscheinlich nur mit 14 sauer sein kann. Es geht um die Klassenfahrt. Sie soll mitfahren. Aber sie will nicht. Und wie sie nicht will! „Das wird so schlimm!“ Die Diskussion ist lang, ihre Meinung ist klar: „Das wird die furchtbarste Zeit in meinem Leben.“ Die Mitschüler sind doof, das geplante Programm ist langweilig. Und die Lehrer? Naja. Gefahren ist sie dann doch. Aber nur, weil es Schule ist und sie keine Wahl hat.
Nun, vier Tage Klassenfahrt gehen auch vorbei und schon stehen wir an der Bushaltestelle, um sie wieder abzuholen. Ihre Mitschülerinnen steigen fröhlich kichernd aus dem Bus. Dann kommt sie. Sie kichert nicht. „Und, wie war`s?“, frage ich noch. Und ernte einen vernichtenden Teenager-Blick. Es war die furchtbarste Zeit in ihrem Leben. Die Mitschüler sind doof, das Programm langweilig. Und die Lehrer? Naja. „Ich wusste es ja vorher!“, sagt sie. Und ich denke: Genau. Und das ist wohl auch der entscheidende Punkt.
Ich kenn das ja von mir selbst: Wenn du auf eine Fortbildung musst, wenn die Schwiegereltern zu Besuch kommen, wenn du einen neuen Mitarbeiter einarbeiten sollst, und du weißt vorher schon genau, dass es furchtbar wird, dann wird es auch furchtbar. Weil man alles andere, alles, was nett und schön wäre, vorher schon ausgeschlossen hat. Das nennt man wohl eine „self fulfilling prophecy“. Und dann sind eben alle - wie erwartet - doof, das Programm - wie erwartet - langweilig. Und du jammerst über die furchtbare, vergeudete Zeit. Während andere dasselbe erleben und fröhlich kichernd aus dem Bus steigen. Blöd ist das. Weil man sich viel wegnimmt. Weil man neue Erfahrungen von vorneherein ausschließt. Und dann viel Schönes, Hilfreiches, Stärkendes einfach nicht stattfindet.
Manchmal möchte ich diese „das wird doch sowieso nichts“ – Brille einfach wegwerfen. Dem Leben eine Chance geben. Jesus sagt einmal: „Freuen dürfen sich alle, die nur noch von Gott etwas erwarten.“ So in der Art. Etwas vom Leben erwarten: Da kommt noch was. Auch dann, wenn es vielleicht im Moment noch nicht danach aussieht. Ich kenne Menschen, die können das. Der eine hat eine schwere Krankheit und ist trotzdem voller Energie. Ein anderer hat nie Geld und ist trotzdem zufriedener als manche, die sich alles ohne Probleme leisten können. Das sind Menschen, die kämpfen sich durch Rückschläge und stehen wieder auf, wenn sie gefallen sind. Weil sie innerlich davon ausgehen: Es lohnt sich. Sie geben dem Leben eine Chance, gut zu sein. Das wär’s. Das Gute erwarten. Dem Leben eine Chance geben. Selbst dann, wenn man auf Klassenfahrt muss. Oder zu den Schwiegereltern.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius