Beiträge auf: wdr2
Hörmal | 08.09.2024 | 07:45 Uhr
Anna, Maria und die Alphabetisierung
Der Name Maria gehört bis heute zu den beliebtesten Vornamen für Mädchen in Deutschland, sagt die Gesellschaft für deutsche Sprache, und das seit vielen Jahren. Und etwas weiter unten in der Rangliste steht ein anderer Name, der ebenfalls gerne als Erst- oder Zweitname verwandt wird, nämlich: Anna.[1] Aber nicht nur die höheren Plätze auf den Namenslisten der letzten Jahre verbindet Maria und Anna, sondern auch das heutige Datum. Der 8. September wird in der katholischen und in der orthodoxen Kirche als das Geburtsfest von Maria, der Mutter Jesu gefeiert. Und die Mutter von Maria, das war Anna. Versuchen Sie nicht, den Namen in der Bibel zu finden. Über Anna steht da nichts. Aber neben der Bibel gibt es noch andere alte Schriften. Eine aus dem 2. Jahrhundert erzählt davon, dass Anna und ihr Ehemann Joachim lange kinderlos waren. Dann aber hat es doch geklappt. Und so wurde Maria geboren. Und die Eltern haben sie, so steht das in dieser Schrift, als kleines Kind mit drei Jahren in den Tempel gebracht, um dort Gott zu dienen. Damit hatten Anna und Joachim das eingelöst, was sie Gott versprochen hatten bei ihrem Kinderwunsch.[2]
Wenn Ihnen die Bibel vertraut ist, dann werden sie merken, die Geschichte folgt einem in der Bibel bekannten Strickmuster: Sarah und Abraham sind lange kinderlos, bis sie endlich einen Sohn bekommen, den Isaak. Oder Hanna und Elkana: Beide werden erst Eltern, nachdem sie Gott um Hilfe gebeten haben. Und auch sie überlassen ihren Sohn Samuel schließlich Gott, dem er dienen soll. In all diesen Geschichten geht es immer darum: Der- oder diejenige, die unter außergewöhnlichen Bedingungen geboren werden, sind etwas Besonderes in der weiteren Religionsgeschichte. Das gilt auch für Maria in dem Moment, als sie Jesus zur Welt bringt als den Sohn Gottes. Aus diesem Grund wird ihr auch der Titel „Gottesgebärerin“ zuerkannt, allerdings erst auf einer kirchlichen Versammlung im 5. Jahrhundert. Und das ist genau die Zeit, in der das Fest der Geburt Mariens etabliert wird.
Viele Geschichten über Anna und Maria. Und ich möchte noch eine erzählen, die kurioserweise wieder zurückführt auf den heutigen 8. September. Es geht darum, dass Anna und Joachim Maria unterrichtet haben. Davon erzählt eine mittelalterliche Lebensbeschreibung der Maria.[3] Später ist es dann vor allem Anna, die zum Vorbild als lehrende und erziehende Mutter wird. Besonders in der bildenden Kunst ist das so dargestellt worden: Anna hält ihrer Tochter Maria ein aufgeschlagenes Buch hin und lehrt sie zu lesen. Diese Darstellung sollte wie ein vorbildliches Modell gelten, nicht nur für die Bildung der Mädchen, sondern für alle Menschen, denn: Lesen und natürlich auch Schreiben sind ja der Schlüssel zur Bildung! Und genau daran erinnert der Weltalphabetisierungstag, den die UNESCO im Jahr 1967 eingerichtet hat und der auch am 08. September begangen wird. Kurios, wie das am heutigen Tag zusammenfällt: Anna, Maria und die Alphabetisierung. Es müsste mehr Annas geben als Lehrerinnen und Lehrer, denn allein in Deutschland gibt es immer noch etwa sechs Millionen Menschen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, die weder lesen noch schreiben können. Und sie zu unterrichten, das wäre so wichtig.
[1] Vgl. https://gfds.de/vornamen/beliebteste-vornamen/ .
[2] Vgl. Protevangelium des Jakobus.
[3] Vgl. Dagmar Preising, Unterweisung Marias, in: RDK, zitiert nach: https://www.rdklabor.de/wiki/Unterweisung_Marias .