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Hörmal | 06.10.2024 | 07:45 Uhr
Mitfühlen
„Bring them home now“. Bringt sie nach Hause jetzt. Seit fast einem Jahr hängt das fünf mal fünf Meter große Plakat an der großen Treppe zwischen Bürger- und Wandelhalle im nordrhein-westfälischen Landtag. Um den Schriftzug herum die Bilder der von der Hamas verschleppten Geiseln. Viele sind ermordet worden, wenige sind freigekommen und noch immer bangen viele Familien um das Leben der Vermissten. Immer, wenn ich in den Landtag komme, sehe ich das Plakat, sehe die Gesichter. Jedes erzählt eine Lebensgeschichte, steht für ein Leben
Der Angriff auf Israel vor einem Jahr hat ein ganzes Land traumatisiert und es herrscht Krieg. Täglich sterben Menschen: Frauen, Männer, Kinder und Greise. Israelis und Palästinenser. Im Heiligen Land ein unheiliger Krieg. Seine Folgen spüren wir auch in Deutschland. Unversöhnlich stehen sich die Lager der Freunde und Feinde der jeweils anderen gegenüber. Islamistischer Terror hat auch bei uns seine Spuren hinterlassen.
Unser aller Blick auf die Welt hat sich geändert: Wir haben zunehmend Angst. Lassen uns polarisieren und misstrauen einander.
Heute - ein Jahr nach dem Überfall der Hamas auf Israel - will ich eine Frau zu Wort kommen lassen, die mitten in diesem Krieg für den Frieden kämpft, kleine Schritte wagt und Rückschläge erlebt: Dr. Sarah Bernstein. Sie ist Geschäftsführerin des Rossing Centers in Jerusalem, das sich um eine inklusive Gesellschaft bemüht: Die Integration aller Religionen, Ethnien und Nationalitäten. Sie ruft zu Mitmenschlichkeit auf, dazu sich vom Leid des anderen anrühren zu lassen.
Sprecherin: „Selbst in diesem intensiven Zustand der Angst und Beklemmung müssen wir die Stärke und Menschlichkeit aufbringen, um mit den unschuldigen Menschen auf der anderen Seite mitzufühlen.
Die Bilder von leidenden Kindern in Gaza oder in Israel sollten nicht nur durch die Linse der nationalen Zugehörigkeit oder der politischen Zugehörigkeit gesehen werden. Vielmehr sollten sie die kollektive Empathie wecken, die uns allen innewohnt. Mitgefühl wird nicht dadurch geschmälert, dass man es auf diejenigen ausdehnt, die als die ‚Anderen‘ wahrgenommen werden. Wahres Mitgefühl ist grenzenlos und schließt alle ein, die leiden, unabhängig von ihrer Nationalität oder Herkunft.
Mitgefühl sollte eine universelle Macht sein, die die Grenzen des Konflikts überschreitet und uns auffordert, andere Handlungsmöglichkeiten in Betracht zu ziehen.
Möge das Mitgefühl zu einem Leuchtfeuer werden, das die Dunkelheit des Hasses und der Zerrissenheit durchdringt. Möge es eine Kraft sein, die verbindet, statt zu trennen, und ein Hoffnungsschimmer für eine Zukunft sein, in der Frieden nicht nur ein ferner Traum, sondern eine spürbare Realität ist.“
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius