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Hörmal | 20.10.2024 | 07:45 Uhr
Wohin in den Urlaub?
Ich habe ein Problem, über das ich jetzt ganz offen sprechen möchte. Vielleicht sollte es mir peinlich sein. Ist es aber nicht. Weil: Es quält mich ernsthaft. Mein Radio Coach hat immer gesagt. Sprecht über das, was euch unbedingt angeht – was euch umtreibt. Also, jetzt raus mit der Sprache. Mein Problem ist der Urlaub. Wo soll ich nur hinfahren?
Ein Luxusproblem? Ja, ich weiß. Vielleicht sind die ganzen Kriege daran schuld. Ich traue mich gar nicht mehr, wegzufahren. Nein, nicht aus Angst vor Terroranschlägen. Sondern weil das Leben so ungerecht ist. Die in Gaza, in Israel, der Ukraine, im Libanon sterben und ich lege mich im Herbst an den Strand und besichtige 1000 Jahre alte Ruinen längst untergegangener Zivilisationen. Nein, ich bin kein Moralapostel – gibt es das Wort Moralapostolin? - ich vermute nur, dass meine Unentschiedenheit was Urlaub angeht, was mit der Weltlage zu tun hat. Jeden Abend schaue ich Nachrichten, gerne noch Hintergrundberichte und dann die tägliche Zeitungslektüre. Das drückt immer mehr – unmerklich - weil: Es ist alles so hoffnungslos. Frieden nicht in Sicht! Und die AFD, der Rechtsruck in Europa, die anstehenden Wahlen in den USA. Es ist doch alles der helle Wahnsinn.
Und dann ich mit meiner banalen Frage: wohin im Urlaub.
Vielleicht Sizilien. Taormina – herrlich warm, nicht zu heiß, direkt am Meer, inmitten griechischer, römischer, maurischer Kultur – wunderbar. Natürlich laufen dort jede Menge Touris rum. Aber wenigstens gibt es dort keine großen Hotelanlagen. Obwohl Sizilien? Da herrscht doch Wassermangel. Bauern müssen ihre Tiere Not schlachten. Wasser wird in riesigen Tankern angeliefert. Für die Einheimischen. Und die Touris planschen noch munter in den Pools. Darf man da noch hin? Und dann das Müllproblem. Sizilien vermüllt. Überall Müllberge berichtet mir ein Bekannter, der gerade dort gewesen ist.
Im Sommer bin ich sogar zu Hause geblieben. Habe Badeseen in der Umgebung entdeckt, bin am Rhein spaziert und geradelt – in Köln, Bonn, Düsseldorf. Habe interessante Menschen kennengelernt am Kiosk, auf der Fähre, im Restaurant. Sogar beim Shoppen in meiner Lieblingsboutique. Intensives Gespräch mit einer Verkäuferin über den Sinn des Lebens. Total irre.
Vielleicht macht es die Mischung: mal wegfahren – mal hierbleiben. Auf jeden Fall, raus aus dem Alltag. Sich öffnen für Neues. Abschalten. Und beten. Alles beten, was geht. Gott anklagen, ihn bitten, ihm danken. Egal wo.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius