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Hörmal | 29.09.2024 | 07:45 Uhr
Jesus Christ Superstar im Radio
“Jesus Christ, Jesus Christ, Who are you? What have you sacrificed?”
Vor etwa 50 Jahren habe ich diese Musik zum ersten Mal gehört: Jesus Christ Superstar aus der gleichnamigen Rockoper. Heute sagen die Menschen Musical dazu, aber Komponist Andrew Lloyd Webber hatte die Geschichte Jesu wie eine Oper inszeniert. Jesus Christ Superstar habe ich zuerst im Kino gesehen und mir anschließend die LP gekauft. Und bis heute bin ich davon angetan: Denn die alte Geschichte der letzten Tage aus dem Leben von Jesus wird hier neu erzählt. Dabei spiegelt die Oper etwas die Hippiebewegung wider aus den frühen 1970er Jahre in den USA mit Jesus-People und Flower-Power. Andrew Lloyd Webber und auch der Texter Tim Rice waren damals davon inspiriert: Kämpfen gegen das politische und religiöse Establishment. Und so erzählt die Oper die Geschichte aus der Perspektive von Judas Iskariot, dem Verräter. Der bekommt damit eine neue Rolle. Kein Wunder, dass die Uraufführungen – die erste in Deutschland war übrigens 1972 in Münster – auf Proteste stieß von christlich-konservativen Gruppen: Mit Kerzen in den Händen hatten die vor den Opernhäusern und Kinos demonstriert. Erstaunlich aber: Selbst Radio Vatikan strahlte bereits kurz nach der New Yorker Premiere 1971 die Oper aus.
Mich haben damals schon einige Fragen nachdenklich gemacht, die Judas da stellt. Das passiert ziemlich am Ende der Oper. Jesus schleppt sein Kreuz auf den Berg Golgatha, wo er hingerichtet werden soll. Da ist Judas eigentlich schon tot, denn er hat sich erhängt. Jetzt aber tritt er noch einmal auf, spricht sozusagen aus dem Jenseits und fragt Jesus: „Warum lässt du die Dinge, die du getan hast, so aus dem Ruder laufen? Hättest du es nicht besser planen können?“ Und dann kommt es wie ein Vorwurf: „Warum hast du eine so rückständige Zeit und ein so fremdes Land gewählt? Wenn du heute gekommen wärst, hättest du ein ganzes Volk erreicht. Israel im Jahre 4 vor Christus hatte keine Massenkommunikation.“
Stimmt. Im Zeitalter der Massenkommunikation hätte Jesus viel mehr Leute erreichen können, weltweit und gleichzeitig. Hat er aber nicht. Stattdessen hat es immer wieder Menschen bedurft, die von diesem Jesus erzählen. Und sie tun das bis heute. Und um auf die Frage von Judas zu antworten: Sie tun das inzwischen auch mit den Mitteln der Massenkommunikation. Heute zum Beispiel wird ein ökumenischer Gottesdienst übertragen auf WDR5 und zwar aus genau diesem Anlass: 100 Jahre Kirche im Radio. Es geht um 100 Jahre Verkündigung der Botschaft von diesem Jesus von Nazareth. Ok. Nicht Jesus spricht, aber Menschen sprechen von ihm, mit all ihren Gedanken, die sie sich über diesen Jesus gemacht haben, über das, was sie verstanden haben von ihm und seiner Botschaft der Gottes- und Nächstenliebe. Und das darf und soll auch hinterfragt werden. Denn so verstehe ich einen letzten Gedanken aus der Rockoper Jesus Christ Superstar. Der Gedanke dreht nämlich die Perspektive um. Jesus wird da nicht nur gefragt: „Jesus Christ, wer bist du? Was hast du geopfert?“, sondern: „Jesus Christ Superstar, glaubst du, dass du das bist, was sie von dir sagen?“
Für mich ist diese Frage an Jesus eine echte Herausforderung, vorsichtig über Jesus zu reden, nicht nur wie jetzt im Radio.