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Kirche in WDR 2 | 18.10.2024 | 05:55 Uhr
Die da oben
Mittlerweile bin ich echt genervt.
Erst habe ich das ja noch verstanden oder versucht, zu verstehen.
Ich bin ja Pfarrer, da macht man das so. Meistens.
Aber mittlerweile: Das Ständige: «Die da oben!
Da kann man sowieso nichts machen.»
«Die da oben - machen sowieso was sie wollen.»
Ich kann´s nicht mehr hören!
Dieses Opfergejammere, als würden wir in einer Diktatur leben.
Meine Güte!
Gott sei Dank leben wir einer soliden parlamentarischen Demokratie.
Gott sei Dank gibt es regelmäßig freie Wahlen.
Und Gott sei Dank gibt es ein Grundgesetz. Das den moralischen und organisatorischen Rahmen beschreibt.
Es ist schlicht falsch, zu behaupten: man könne sowieso nichts machen.
Unser Staat lebt davon, dass sich einzelne Menschen einbringen: bei Wahlen, in gemeinnützigen Organisationen und – ja! – in Parteien. Es ist doch einfach Quatsch so zu tun, als ob in der Politik nur machtbesessene Egoisten rumlaufen. Natürlich gibt es die. Aber doch nicht nur. Und: Wenn ich etwas bewirken will, brauche ich Macht. Macht erwirbt man sich in der Demokratie durch Aushandlungsprozesse. Allein das Wort ist ja schon anstrengend. Und es ist anstrengend. Weil die Welt und das Leben komplex sind.
Ok. Das hier ist ja Kirche in WDR2. In dem Fall: evangelische Kirche. Und ich höre schon die Frage: Was hat das jetzt mit dem Glauben und Kirche zu tun? Antwort: Alles!
Um es mit Paulus zu sagen: «Zur Freiheit hat uns Christus befreit.» (Gal. 5,1)
Klar, Freiheit finden alle toll. Der Haken ist nur: Dass es keine Freiheit ohne Verantwortung gibt. Keine. Deshalb bin ich auch immer selbst gefordert, mich und meine Interessen einzubringen, darum zu streiten.
Natürlich: Es gibt Machtmissbrauch, himmelschreiendes Unrecht, Veränderungen zu Schlechterem.
Das ändert allerdings nichts, gar nichts daran, dass ich gefordert bin.
Freiheit und Verantwortung.
Bei Paulus heißt das so:
«Und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auferlegen.»
Schlimmer geht immer. Besser allerdings auch.
Redaktion: Pastorin Sabine Steinwender-Schnitzius