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Kirche in WDR 2 | 19.10.2024 | 05:55 Uhr
Keine Ahnung
Manchmal weiß ich Bescheid. In der Regel habe ich keine Ahnung.
Häh? Wie jetzt?
Na, ja. Meistens kenne ich die Menschen, mit denen ich zu tu habe.
Oder lerne sie gerade kennen.
Oft kenne ich sie aber überhaupt nicht.
Was ja mal grundsätzlich die Regel ist. Ich meine der Normalzustand. Das man den Menschen neben sich nicht kennt.
Meistens aber dann irgendwie doch, na ja, so halb oder ein bisschen, oder … . Eben. Eigentlich kenne ich vielleicht nur die Gruppe, zu der ich ihn oder sie dazu zähle. Nachbarn, Arbeitskollege, Sportfreund usw.
Aber: kennen? Wen kennt man schon? So richtig? Wen kennen Sie ganz und gar, in und auswendig, wie man so sagt?
Tja. Vielleicht denken Sie meine Frau, meinen Mann, meinen Lebensgefährten, besten Freund, beste Freundin, mein Kind, meine Eltern. Echt jetzt? Wirklich?
Klar, kennt man sich in der Familie, der Lebensgemeinschaft, in Freundschaften, im Bekanntenkreis. Das ist ja auch gut so. Man will ja wissen woran, beziehungsweise an wem man ist.
Problematisch wird die Sache nur bei: ganz und gar. Zu glauben ich kenne einen Menschen in und auswendig. Zu einhundert Prozent.
Weil: Dann ist Schluss mit Neuem, Schluss mit Unbekanntem, Schluss mit lustig: in der Regel auch.
Das Erwartbare ist nie die ganze, mögliche Wirklichkeit.
Ich glaube: Das Leben, die Welt und wir Menschen in ihr sind einfach immer noch komplexer, als erwartet. Wir sind eben mehr als eine etwas kompliziertere Reiz-Reaktionsmaschine. Wir sind mehr als die Folgen unserer Geschichte, mehr als das, was aus unseren Taten und Handlungen folgt. In uns wohnt ein Geheimnis. Ein offener Raum.
Eine unbeschriebene Zukunft. In uns wohnt Geist.
Ja, auch in dem Menschen, den ich angeblich in und auswendig kenne.
Ja, auch in mir.
Für Christen ist das so. Ohne Gott, kein Geheimnis.
Ohne Gott, keine offene Geschichte, keine Zukunft, kein Geist.
Also: Wer ist der Mensch, wer sind die Menschen, die ich meine in und auswendig zu kennen - noch? Wer bin ich noch? Wie gesagt: keine Ahnung, also fast keine.
In jedem Fall: geliebte Geschöpfe Gottes.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
