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Kirche in WDR 2 | 28.10.2024 | 05:55 Uhr
Ungewohnte Gemeinschaft
Eigentlich achte ich da ja nicht so drauf, wer rechts und links neben mir im Auto am Steuer sitzt. Soll man ja auch nicht. Man soll sich auf die Straße konzentrieren und nicht darauf, ob der Fahrer des Nachbarautos nun in der Nase bohrt oder die Fahrerin links neben mir am Handy ist. Man hat doch eher selten die Gelegenheit, sich mit den anderen Fahrer*innen zu unterhalten. Außer, man steht im Stau, so wie ich letztens. Auf dem Rückweg von Bielefeld nach Erkrath bei Düsseldorf.
Als ich auf die A2 auffahre, sehe ich auf meinem Navi sieben Minuten plus. Ach, naja, denke ich, das geht ja noch. Aus den sieben Minuten sind dann fast fünf Stunden geworden.
Es hat an dem Tag eine Massenkarambolage auf der A2 gegeben. Gott sei Dank ohne Todesfälle, aber durchaus mit Schwerverletzten.
Und wenn man knapp fünf Stunden auf der Autobahn steht, dann schaut man ja doch mal rechts und links, wer da so mit einem unterwegs ist. Ich bin dann aus dem Wagen ausgestiegen, bin die Autobahn auf und abgelaufen und habe mich mit Leuten unterhalten. Und ob sie es glauben oder nicht: In diesen Stunden auf der Autobahn ist eine Gemeinschaft entstanden. Mitten in dem Trubel dieser Massenkarambolage und mich hat das in gewisser Weise beruhigt. Man hat aktuelle Infos miteinander ausgetauscht, hat Zigaretten, Wasser und Kekse geteilt. Hat sich mit Hilfe von Google-Übersetzer mit Polen und Ukrainern unterhalten, die auf dem Weg zu Verwandten oder ins neue Zuhause gewesen sind.
Eine ungewohnte Gemeinschaft eben. Ein bisschen so wie bei den Jüngerinnen und Jüngern, die Jesus gefolgt sind. Vollkommen unterschiedliche Menschen aus unterschiedlichen Umgebungen, die für eine bestimmte Zeit zusammen sind und Gemeinschaft miteinander teilen.
Es klingt jetzt verrückt, aber genau so stelle ich mir eine Kirchengemeinde der Zukunft vor: Menschen kommen zusammen aus unterschiedlichen Kontexten und das für eine begrenzte Zeit. Keiner ist dem anderen böse, wenn man sich nicht mehr sieht. Sprachbarrieren werden überwunden und Vorurteile abgebaut. Man unterstützt sich in der gemeinsamen Zeit. Man sorgt sich um die, denen es nicht gut geht, auch wenn man die Personen gar nicht kennt.
Vielleicht hört ja jemand, der mit mir im Stau gestanden hat, nun diese Andacht. Auf jeden Fall hoffe ich, dass es den Verletzten besser geht und alle gut nach Hause gekommen sind. Und egal, ob Sie diese Andacht nun im Auto hören, auf der Arbeit oder zu Hause: Auch wir sind eine Gemeinschaft. Alle auf unseren Wegen. Kommen Sie gut durch den Tag.
https://www1.wdr.de/nachrichten/westfalen-lippe/massenkarambolage-a2-bielefeld-100.html
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius