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Kirche in WDR 2 | 31.10.2024 | 05:55 Uhr
Reformationstag
Sie ist groß, schlank und blond. Ausgesprochen freundlich, sehr beliebt bei ihren Kunden. Bei Männern und Frauen und Kindern. Weil: Die bekommen immer ein Blümchen in die Hand gedrückt. Wer sie ist? Meine Blumenhändlerin. Ich kenne sie schon lange. Zwischendrin sprechen wir auch schon mal ein paar persönliche Worte. Wenn ausnahmsweise mal niemand im Laden ist. Etwas verunsichert setzt sie ein: Ich hab da mal eine Frage. Klar, sage ich, ich höre. Ich habe neulich ein Video bei you tube gesehen – über eine Teufelsaustreibung. Gibt es den Teufel wirklich? Ich versuche, keine Mine zu verziehen. Nein, sage ich mit fester Stimme. Da kann ich Sie beruhigen. Seit Martin Luther gibt es den Teufel nicht mehr. Er hat ihm ein für allemal das Handwerk gelegt vor 500 Jahren. Sich maximal angelegt mit der katholischen Kirche. Das Ergebnis: die Kirchenspaltung. Seitdem gibt es zwei Kirchen – die katholische und die evangelische. Martin Luther hat Schluss gemacht mit der Angst vor der Hölle, dem Glauben an den Teufel, der einen verführt. Der den Menschen auf seine Seite zieht, die Seite des Bösen, ihn zu seinem Werkzeug macht. „Reine Geldmacherei“, hat Martin Luther geschimpft. Denn: Gott ist ein gnädiger und kein strafender Gott. Von seinen Sünden kann man sich nicht frei-kaufen im wahrsten Sinne des Wortes. Allein der Glaube an Gott befreit – macht einen Neuanfang möglich. Geld hilft einem da wenig.
Ehrlich gesagt habe ich schon Sorge gehabt. Eine Andacht zum Reformationstag? Der Tag, an dem Martin Luther die Kirche erneuert hat. Was soll ich da nur sagen? Der Glaube an Teufel und Hölle - tiefstes Mittelalter. Aber weit gefehlt. Meine Blumenhändlerin ist eine intelligente, aufgeklärte Frau. Um so mehr hat mich ihre Frage erstaunt. Ebenso die Frage einer Mutter bei einem Elternabend in der Schule, an der ich unterrichte.
„Wie gehen Sie damit um, wenn das Kind einen anderen Glauben hat“. Ich frage nach. „Wenn das Kind an die Hölle glaubt“. Ich schlucke. Dann werde ich dem Kind erklären, dass es die Hölle nicht gibt. Was ich mache ist wissenschaftlich fundiert – Aufklärung. Den Irrglauben zum Teufel schicken. Und dem Glauben an Gott den Weg bereiten. Vermitteln kann ich ihn nicht. Glaube entsteht immer noch durch Gottes Geist. Wer aber an den christlichen Gott glaubt, muss keine Angst haben. Weder vor dem Teufel noch vor der Hölle.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius