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Kirche in WDR 2 | 11.12.2024 | 05:55 Uhr
Gemeinsam in den Tod
„Die Nacht ist vorgedrungen, der Tag ist nicht mehr fern“. So heißt ein altes Adventslied, das Sie und Ihr vielleicht auch schon mal gesungen habt. Gedichtet wurde es von Jochen Klepper, der heute vor 82 Jahren in den Tod ging: Am 11. Dezember 1942 hat er sich zusammen mit seiner Frau Johanna und deren jüngster Tochter Renate das Leben genommen. Wie konnte es dazu kommen?
Bis heute gilt Jochen Klepper als einer der sprachgewaltigsten Dichter des 20. Jahrhunderts. Und bis heute stehen 13 seiner Lieder im Evangelischen Gesangbuch. Im katholischen sind es sechs. Mit seinen Versen hat sich Jochen Klepper tief in die Herzen der Christ:innen geschrieben. Echte Ohrwürmer, sozusagen.
Der 1903 geborene Pfarrersohn beginnt mit 19 ein Theologiestudium, das er aber nie abschließt. Stattdessen arbeitet er beim Evangelischen Presseverband für Schlesien, im Berliner Ullstein-Haus und beim Hörfunk. Als religiöser Sozialist wird er Mitglied in der SPD, tritt aber nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten wieder aus. Ein weiteres Arbeiten als Schriftsteller wäre sonst nicht möglich gewesen.
Was sein Leben vielleicht am stärksten geprägt hat, ist die Liebe. In Breslau zieht er 1928 als Untermieter in das Haus einer Witwe mit zwei Kindern. Die beiden kommen sich näher. Johanna ist 13 Jahre älter als Jochen Klepper - was heute sicher immer noch kritisch beäugt würde. Sie ist Jüdin, gilt als gebildet und kultiviert. Zwei Jahre später heiraten die beiden. 1938 lässt Johanna sich taufen, es folgt die kirchliche Trauung.
Aber da sitzen die Nazis schon fest im Sattel. Klepper wird 1940 eingezogen, ein knappes Jahr später aber wegen der Ehe mit einer Nicht-Arierin als "wehrunwürdig" aus der Armee entlassen. Der Druck auf die Familie nimmt immer weiter zu. Die Nationalsozialisten drohen Klepper schließlich mit einer Zwangsscheidung, seine Frau Johanna und Tochter Renate sollen deportiert werden.
Die Familie sieht keinen Ausweg mehr. In seinem letzten Tagebuch-Eintrag schreibt Klepper: "Wir gehen heute Nacht gemeinsam in den Tod. Über uns steht in den letzten Stunden das Bild des segnenden Christus, der um uns ringt. In dessen Anblick endet unser Leben " Die Familie dreht in der Küche das Gas auf und legt sich auf den Boden - eine Hausangestellte findet die drei Leichen am nächsten Morgen.
Jahrhunderte lang haben die Kirchen den Suizid geächtet und eine Beerdigung in geweihter Erde verweigert. Jochen Klepper aber schrieb schon 1933: "Ich glaube, dass der Selbstmord unter die Vergebung fällt wie all andere Sünde." In diesem Vertrauen hat sich der Dichter dem Nazi-Terror entzogen. Er wurde keine vierzig Jahre alt. Heute erinnert ein Stolperstein in Berlin an ihn und seine Familie.
Quellen:
https://www.evangelisch.de/inhalte/147305/11-12-2017/jochen-klepper-suizid
https://www.heiligenlexikon.de/BiographienJ/Jochen_Klepper.htm
(alle zuletzt abgerufen am 10. November 2024)
Redaktion:
Manfred Rütten