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Kirche in WDR 2 | 08.10.2024 | 05:55 Uhr
Smalltalk für die Seele
Es gibt ja immer was zu feiern. Heute zum Beispiel den Small Talk Tag.
Mein Opa war ja der ungekrönte König des Smalltalks auch wenn es das Wort zu seiner Zeit noch gar nicht gegeben hat. Egal, ob im Bus, beim Hausarzt oder beim Metzger gab es erstmal seinen ganz persönlichen Wetterbericht zu hören. Bei Regen hieß es häufig:
Opa: „Ker, Ker, es regnet mal wieder Bindfäden.“
„Da sachst de was!“
Opa: „Tja, steckste nich drin.“
Bei Hitze sagte er gerne:
Opa: „Ker, Ker, der Lorenz sticht aber heute wieder.“
„Da sachst de was!“
Opa: „Tja, steckste nich drin.“
Dass „der Lorenz“ in seinem Sprachgebrauch ein anderes Wort für die Sonne war, konnte ich als 6-Jähriger irgendwie aus dem Zusammenhang austüfteln, aber warum man jetzt im Wetter irgendwie drinstecken sollte und inwiefern das weiterhelfen könnte habe ich bis heute nicht verstanden. Solcherlei Smalltalk hat jedenfalls keinen besonders guten Ruf. Er gilt als geistlose und überflüssige Zeitverschwendung, dabei kann er eine Menge guter Sachen bewirken.
Erstens: Smalltalk ist ein Kontaktangebot. Der angesprochene Mensch bekommt die Botschaft: „Hey. Ich sehe dich.“ Vielleicht sogar „Dich find ich nett.“ Das kann schon reichen, um einen düsteren Tag etwas heller zu machen. So kleine Anfänge können eine verbale Aufwärmphase sein, die gar nicht so selten zu intensiveren Gesprächen führen. Das gilt auch für meine Arbeit als Seelsorger. Das Wichtigste ist: In Kontakt zu sein mit den Menschen. Das muss nicht immer Deeptalk sein. Denn das Leben ist nicht immer deep. Es ist ganz oft alltäglich. Und manchmal gelingt der Wetterbericht zur eigenen Seelenlage durchaus besser, wenn er im alltäglichen Smalltalk verpackt ist.
Zweitens: Smalltalk gibt Struktur. In einer immer komplexeren und stressiger werdenden Welt kann der immergleiche Smalltalk mit der Pförtnerin oder beim Bäcker ein Ritual sein, der als kleiner Anker im Alltag hilfreich ist.
Und dann noch Drittens: Smalltalk ist effektiv. Eine britische Studie hat gezeigt, dass fremde Menschen, die vor einer gemeinsamen Aufgabe Smalltalk gehalten haben, viel besser zusammenarbeiten als Menschen, die das nicht getan haben. Wer Smalltalk führt, bekommt erstaunlich gute erste Eindrücke vom Gegenüber, die ein spitzen Startschuss sein können, für alles, was noch folgt.
Wenn wir uns heute auf ein kleines Gespräch über das Wetter einlassen und eine kleine Begegnung zulassen wird der Welttag des Smalltalk ein Fest, dass es sich zu feiern lohnt.