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Kirche in WDR 2 | 11.11.2024 | 05:55 Uhr
Eine Liebeserklärung
Es gibt Paare, die beneide ich um ihr Glück.
Jane und Michael zum Beispiel. Deren Leben ist auf den ersten Blick überhaupt nicht beneidenswert. Wenn die beiden mit ihrem Sohn Kai einkaufen gehen oder auf den Spielplatz kommen, stellt sich bei vielen eher sowas wie Mitleid ein. Aber sie kennen auch nicht die ganze Geschichte. Sie sehen erst mal nur einen Jungen, neun Jahre alt, in seinem Rolli. Entwicklungsverzögert, schwerstmehrfach behindert sagt man da normalerweise. Besonders, sagen Jane und Michael. Denn Kai war und ist ihr absolutes Wunschkind.
Doch der Reihe nach. Als Kai geboren wird, ist zunächst alles normal. Die Voruntersuchungen unauffällig, die Geburt geschafft, die Eltern glücklich. Doch schon in den ersten Tagen gibt es diese Auffälligkeiten. Immer wieder mal krampft der Kleine. Nach vielen Untersuchungen steht fest: Kai hat einen seltenen Gendefekt.
Damals werden Jane und Michael gefragt, ob sie ihr Kind abgeben möchten. In eine dauerhafte Pflege und Betreuung. „Kai bleibt bei uns“, sagt Michael spontan. Und Jane sagt im Rückblick: „Das war eine absolute Liebeserklärung an unser Kind.“
Ja, der Alltag mit Kai ist herausfordernd. Bei Jane und Michael gibt es auch im Wohnzimmer ein richtiges Bett. Einer kann mal durchschlafen und sich erholen, der andere schläft bei Kai. Ihr altes Sofa haben die beiden auf den Sperrmüll geschmissen. Das hieß irgendwann nur noch Trauersofa. Hier haben sie oft gesessen und geweint, wenn sie aus der Klinik nach Hause gekommen sind. Also ja, belastend war es schon und anstrengend ist es bis heute.
Aber zugleich gibt es diese unfassbaren Glücksmomente mit Kai. Das Kinderhospiz in der Nähe veranstaltet einmal im Jahr einen Segelfliegertag. Kai und seine Eltern dürfen in einem Motorflugzeug mitfliegen. Kai strahlt und lacht. Und der Pilot weint vor Glück. „Wir sammeln solche Momente“, sagt Jane. Wenn Kai mal für eine ganze Woche im Kinderhospiz ist, machen die beiden Urlaub. Im selben Bett schlafen, wandern, essen gehen. Sie können kaum in Worte fassen, wie glücklich sie dann sind. Es gibt das alles auch im Alltag, eine Nummer kleiner. Wenn sie mit Kai im Lastenfahrrad spazieren fahren oder sich den Rolli schnappen und im Regen tanzen. Und auch wenn sie mal allein für eine Stunde über die Felder gehen, Hand in Hand. Unfassbares Glück jedes Mal. Wie gesagt, ich bin ein bisschen neidisch. Denn eigentlich will ich das auch. So intensiv leben und Momente sammeln.