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Hörmal | 10.11.2024 | 07:45 Uhr
Lichtermeer zu Martins Ehr: Barmherzigkeit und Brauchtum
Heut ist Martinsabend da. Und in meiner Heimatstadt Kempen am Niederrhein, da rüsten sich alle schon für den großen Umzug. Bei Einbruch der Dunkelheit heißt es wieder „ein Lichtermeer zu Martins Ehr“. Über 3.500 Kinder und Jugendliche ziehen mit bei einem der größten Martinszüge in Deutschland – sicherlich einem der schönsten. Für Kempener wie mich ist das so etwas wie die 5. Jahreszeit. Und wir kommen aus allen verstreuten Ecken in unsere Heimat und bestaunen die selbst gebastelten Laternen, singen die altbekannten Lieder und ziehen dann zur Burg.
Gekrönt wird unser Martinszug nämlich immer von einem spektakulären Feuerwerk an der altehrwürdigen Kurkölschen-Landesburg[1]. Wobei: die eigentliche „Krönung“ des Martinszugs ist natürlich auch in Kempen nicht das Feuerwerk. Nachdem alle gestaunt haben über das Himmelsspektakel (und in Kempen ist es eins!) setzt sich nämlich der Zug wieder in Gang. Angeführt vom Heiligen Martin auf dem Pferd, klar. Und dann ziehen alle zum Buttermarkt, dem größten Platz in der Innenstadt. Und dort brennt ein haushohes Feuer. Was da am Feuer für ein Werk geschieht, das ist die eigentliche Krönung. Wobei das natürlich eher eine Teilung ist als eine Krönung.
In jedem Fall ist es ein Werk der Barmherzigkeit. Und Sie
wissen sicher alle, worum es geht: Dass der Heilige Martin, einst römischer
Soldat, mit einem Bettler seinen Militär-Mantel teilt. Das weiß eben jedes
Kind. Zumindest in Kempen – und überall da, wo das Martinsbrauchtum noch vital
ist. Die Riten um dieses Fest – vom Laternen-Basten, über die Gesänge bis zum Martinszug:
All das feiert im Grunde ja eines: Barmherzigkeit.
Worum es geht, wenn an einem kalten Novemberabend ein Mantel geteilt wird, das haben schon die Kleinsten klar: Nächstenliebe macht wärmer. Wenn das Herz aufgeht für die Mitmenschen, dann ist das Barmherzigkeit.
Alle, die dieses Fest zu „Laternenfeiern“ umdeklarieren wollen, haben den Kern eigentlich nicht verstanden, nämlich: Dass die bunten Laternen genau diesen Wert bescheinen wollen: Teilen hilft, Nächstenliebe macht es wärmer in jeder Gesellschaft.
Ohne das ist das Fest genauso hohl wie ein Kürbis an Halloween. Eine Deko-Schlacht.
St. Martin ist mehr als rabimmel, rabammel, rabumm. Und der Heilige Martin hat noch viel mehr gemacht als Mantelteilen. Wobei das dann schon christliches Spezialwissen ist: Geboren in Ungarn, als Soldat in Italien (da war er zwischenzeitlich Teil der kaiserlichen Leibgarde[2]) wurde Martin mit 54 Jahren Bischof von Tours in Frankreich. Ein Europäischer Heiliger. Martin gilt als Begründer des abendländischen Mönchtums, weil er im Jahr 361 das erste Kloster auf europäischem Boden gründete. Im christlichen Westen war Martin der erste, der heiliggesprochen wurde, ohne dass er für seinen Glauben gestorben war.
Wie gesagt: das alles muss man nicht wissen, um heute und morgen aus vollem Herzen das Martinsfest mitzufeiern. Und besonders gläubig muss man auch nicht sein. Aber dass es ein Brauchtum gibt, das die Barmherzigkeit fast schon verschwenderisch feiert, das finde ich wichtig. Denn: Teilen hilft, Nächstenliebe macht wärmer.
[1] https://www.kempen.de/stadt-rathaus-politik/aktuelles/pressemitteilungen/st-martin-kempen
[2] https://martin-von-tours.de/de/geschichte/werdegang-martin-von-tours.html