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Kirche in WDR 2 | 19.11.2024 | 05:55 Uhr
Isses Sünde einen Diktator zu töten?
Isses Sünde, einen Diktator zu töten? Dass die Zeiten radikaler werden, ist nichts Neues. Aber dass ich jetzt nach den US-Wahlen auch in meinem christlich-pazifistischen Umfeld Stimmen höre wie: „Ach, vielleicht hätte Trump die Kugel besser doch getroffen?“ - Das hat mich schon irritiert. Putin wird ja auch ganz offen der Tod gewünscht – sei es durch Krankheit oder eine Bombe. Aber: Können gute Christen ernsthaft jemandem den Tod wünschen? Mit gutem Gewissen? Selbst wenn er Kriegstreiber und Diktator ist? Darüber habe ich gesprochen mit zwei Freunden, mit Christoph und Alex. Christoph ist evangelisch und wir beide machen zusammen Live-Hörspiele. Alex ist katholischer Diakon wie ich und wir drei reden immer wieder mal zusammen vor laufendem Mikro über unseren Glauben. Und es war schon vor der US-Wahl, als wir uns mal gefragt hatten: „Isses eigentlich Sünde, einen Diktator zu töten?“
Christoph hat da auf die Nazi-Zeit verwiesen: „Die Menschen die Attentate auf Hitler geplant haben, also Georg Elser, Graf Stauffenberg und viele viele andere werden heute als Helden verehrt, aber Mord ist doch Mord? Oder?“
Auch für mich sind die Hitlerattentäter Staufenberg und Elser Helden. Sie haben sich doch für eine gute Sache eingesetzt. Dieses Heldentum habe ich auch bisher nicht hinterfragt. Spannend ist, was der bekannte Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer schon damals dazu gesagt hat. Bonhoeffer war ja evangelischer Pfarrer – ein extrem kluger Theologe. Und Bonhoeffer sagt quasi: Selbst, wenn es geboten ist, Hitler zu töten, es wird ein Mord sein. Der Attentäter würde sich aus Nächstenliebe schuldig machen. Und dafür werde er im Jenseits nicht mit stehenden Ovationen begrüßt, sondern muss ich dafür verantworten.
Mein Kumpel Alex hat daraufhin noch mal viel grundsätzlicher gefragt, ob nicht durch einen Mord Feuer mit Feuer bekämpft wird:„Was nehmen die Menschen denn an, was durch die Ermordung des vermeintlichen Tyrannen besser werden soll? Ja klar. Die Umstände in denen sie leben. Also die Umstände der Gesellschaft. Und da ist es für mich höchst fraglich, ob diese Veränderung überhaupt eintreten kann.“
Ich finde das auch fraglich. Kann man eine Demokratie, einen Rechtsstaat, durch einen Mord retten? Also indem man sich der Mittel von Gewaltherrschern bedient und damit sozusagen nach den Regeln der Diktatoren spielt. Bauen wir damit nicht an einer Welt, die sich diese Tyrannen wünschen? Eine Welt, in der wichtige politische Fragen mit Gewalt gelöst werden? Wenn man mit den Regeln dieser Menschen spielt, verliert man doch am Schluss.
Jesus selbst hat nicht zu den Waffen gegriffen, als die Römer ihn festgenommen hatten, um ihn bestialisch zu kreuzigen. Er hat seinen Leuten nicht gesagt „Tötet Pontius Pilatus und zündet seinen Palast an!“ Jesus hat der Logik der Rache eine Absage erteilt und ein gewaltloses Vorbild gegeben. Und selbst wenn ich weiß, dass die Christen in der Geschichte – leider Gottes – diese Messlatte von Jesus allzu oft gerissen haben: Ich halte seinen für den richtigen Weg. Das ist meine Sicht.
Wie Sie das sehen, das wüsste ich zwar gern, denn schließlich gibt es bei solchen Fragen keine allgemeingültigen Antworten, da muss jede und jeder das persönliche Gewissen befragen. Welchen Aspekt möchten sie ergänzen oder wo sind ganz anderer Meinung sind als ich? Schreiben Sie mir! Sie finden mich bei Facebook: Urs von Wulfen. Oder auf www.kirche-im-wdr.de.
Hinweis:
Den Podcast „Isses Sünde“ finden Sie hier: https://bistum-osnabrueck.de/podcast-isses-suende/
Die Folge „Isses Sünde, einen Diktator umzubringen?“ finden Sie u.a. bei Spotify: https://open.spotify.com/episode/6W7s28XXVbMWdoBhGAjW5r
Und auch bei youtube: https://www.youtube.com/watch?v=au8ZMk7JE3A
Kontakt: urs@dasbodenpersonal.de