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Kirche in WDR 2 | 04.12.2024 | 05:55 Uhr
Dezemberblüten
Ich habs noch nie ausprobiert mit den Barbarazweigen. Für andere ist das längst Tradition: Heute, am Tag der Heiligen Barbara, einige Zweige von Obstbäumen schneiden und in eine Vase stellen. Pünktlich zu Weihnachten sollen sie dann blühen.
Warum ichs noch nie probiert habe? Mir fehlt der berühmte grüne Daumen. Zum einen. Das heißt, ich rechne eher mit vertrockneten Zweigen statt einer Blütenpracht. Zum Zweiten frage ich mich: Passt das überhaupt zusammen? Frische rosa-weiße Blüten zwischen all dem tannengrün, kerzenrot und kugelsilber?
Allerdings: Je länger ich mir meine Argumente gegen die Barbarazweige durch den Kopf gehen lasse, desto mehr entdecke ich, dass das nicht nur eine botanische Angelegenheit ist, sondern auch eine spirituelle. Nicht damit zu rechnen, dass in Zweigen jede Menge Blühkraft steckt, zeugt von wenig Zutrauen in die Natur. Nicht damit zu rechnen, dass ich lernen kann, diesem Stück Natur gute Lebensbedingungen zu verschaffen, zeugt von wenig Zutrauen in mich und ehrlich gesagt auch von Bequemlichkeit. Irgendwie kleingeistig, oder? Dafür, dass ich als Christin in diesen Wochen aus voller Kehle singe „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit“. Adventsstimmung heißt im christlichen Sinne ja: Mit Gott rechnen. In dieser Welt, in uns Menschen – den anderen, allen anderen und in uns selbst. Advent ist eine Art Entdeckungstour. Losgehen und damit rechnen, dass Gott längst da ist.
Wenn es mir aber schon schwerfällt, mit blühenden Zweigen und kleinen Lernerfolgen zu rechnen und wenn es mir schon zu viel ist, frisches rosarot ins rot-silberne Adventsdekokonzept zu integrieren – dann fühle ich mich ertappt. Und frage mich: Wie bereit bin ich denn dafür, mich von Gott überraschen zu lassen? Will ich ihn erkennen – auch in dem, was mir noch fremd ist? Und bin ich bereit, meinen Beitrag dazu zu leisten, dieses Neue in die Welt zu setzen – so wie Obstzweige ins Wasser? Oder belasse ich es lieber bei gewohnter Lebkuchenseligkeit?
Ich habe ja eben das Adventslied „Macht hoch die Tür“
zitiert. Da
heißt es weiter: „Meins
Herzenstür Dir offen ist“ – und da hege ich bei mir doch Zweifel, je länger ich
so darüber nachdenke. Ich habe mich doch ziemlich in meinen Gewohnheiten und
Annahmen eingerichtet.
Und ich weiß: Damit bin ich nicht allein. Gerade in dieser Zeit zeigt sich das bei vielen. Der Advent ist mit Ritualen und Traditionen gepflastert, die wir hegen und pflegen. So gut das ist, so gut das tut: Das mit der offenen Herzenstür will ich nicht aufgeben. Türen funktionieren ja in beide Richtungen: Wir haben viel Gutes zu verschenken und dürfen auf noch Besseres hoffen.