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Hörmal | 29.12.2024 | 07:45 Uhr
Sein statt machen
„Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Das steht auf einer kleinen Spruchkarte neben der Tür meines Büros an der Uni in Bochum. Die Kollegin, mit der ich mir das Büro teile, hat die Karte da aufgehängt, und zwar so, dass jedes Mal mein Blick darauf fällt, wenn ich das Büro verlasse: „Machen ist wie wollen, nur krasser.“ EinSpontispruch. Für mich eine echte Motivationsspritze. Und der Berggipfel im Hintergrund der Karte verstärkt das noch mal: Wer Berge erklimmen will, der kann nicht beim Wollen verharren, also im Tal. Wer hoch hinaus will, der muss schon losgehen – also: machen. Auch wenn es anstrengend wird. Ich bin zwar kein Bergsteiger, aber der Spruch trifft es ja, denn das ist ja ganz allgemein so: Wenn ich ein Ziel erreichen will – egal welches –, dann muss ich immer schon etwas dafür tun. Allerdings ist es oft gar nicht so einfach, ein Ziel tatsächlich zu erreichen, obwohl ich es will: Mal bin ich zu träge, manchmal zu ängstlich, und manchmal blockiert mich eine innere Skepsis, und ich frage mich: Ob ich das überhaupt schaffe, was ich da will? Dann vielleicht lieber doch gar nicht erst anfangen? – Und genau hier will der Spruch spontan motivieren: „Machen ist wie wollen, nur krasser.“
Beim längeren Nachdenken über den Spruch bin ich dann noch einmal hängengeblieben, und zwar beim Wollen. Denn es gibt da so viele Dinge, die gemacht werden müssen, ohne dass mich jemand fragt, ob ich sie denn überhaupt machen will oder nicht. Und diese Dinge zu machen – und möglichst gut zu machen, weil man es von mir erwartet – oder ich sogar von mir selbst –, das ist schon herausfordernd genug. Und selbst wenn ich mir fremde Herausforderungen zu eigen mache: Für die Dinge, die ich selbst wirklich will, bleibt dann oft schon keine Kraft oder Zeit mehr übrig, um sie tatsächlich zu machen. Irgendwie bleibt da ein Dilemma zwischen Wollen und Machen.
In zwei Tagen ist ja Silvester. Dann fassen viele Menschen Vorsätze für das neue Jahr und wollen etwas machen. Und da könnte der Spruch ja gut passen – so als spontane Motivationsspritze: „Machen ist wie wollen, nur krasser.“ Also los, mach was aus deinem Vorsatz! Wäre doch echt krass, wenn es klappt. Aber auch dann gilt: So einfach ist das ja gar nicht. Meine Erfahrung: Die Vorsätze halten oft nicht lange,oder es bleibt überhaupt nur beim Wollen. Also dann doch besser, keine Vorsätzefassen, kein Wollen und damit auch kein Machen? Immerhin erspare ich mir dann auf jeden Fall die Enttäuschung, mein Ziel nicht erreicht zu haben. Aber wäre das eine Lösung?
Ich denke mir folgendes: Wie wäre es, einmal anders ins neue Jahr zu starten, nämlich keinen Vorsatz zu fassen und mir zu sagen: „Das will ich machen!“, sonderneinmal zu fragen: „Was brauche ich – wirklich?“ Denn mit so einer Frage komme ich letztlich auch einem Ziel näher – und zwar mir selbst. Und dann würde folgender Spontispruch gelten: Ich selbst zu sein, ist krasser als nur zu machen, was ich will.
Kommen sie gut ins neue Jahr!