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Kirche in WDR 2 | 05.02.2025 | 05:55 Uhr
Funktionieren? Oder leben?
Er hat immer funktioniert. In seiner Familie, in der Nachbarschaft, aber vor allem bei der Arbeit. Ist immer da gewesen, war zuverlässig und hat sich selbst dann hingeschleppt, wenn seine Frau gesagt hat: „Du gehörst ins Bett!“
Sein Chef hat diese Zuverlässigkeit zu schätzen gewusst. Seine Kollegen auch. Aber natürlich ist das mit der Zeit zu einer Selbstverständlichkeit geworden: Dass man sich auf ihn immer verlassen kann. Dass er da ist, wenn alle Stricke reißen.
Lange ist das gut gegangen. Sehr lange. Doch jetzt ist er krank geworden. Und zwar so richtig. Das Schlimmste ist mittlerweile überstanden. Aber ganz gesund wird er nicht mehr. Stattdessen muss er frühzeitig in Rente gehen. Sein Chef bedauert das und seine Kollegen machen für ihn eine große Abschiedsfeier. Doch nachdem alle Geschenke ausgepackt und alle Lobreden verklungen sind, da fragt er sich: Ist das wirklich richtig, wie er gelebt hat? Ist es klug gewesen, immer für alle da zu sein? Natürlich hat er sich von allen geschätzt gefühlt. Aber irgendwie auch ausgenutzt. Vielleicht hätte er ab und zu doch mal die anderen ranlassen sollen. Und bestimmt wäre es vernünftig gewesen, zu Hause zu bleiben, wenn er krank gewesen ist. Vielleicht würde es ihm dann jetzt besser gehen!
So richtig weiß das im Nachhinein natürlich keiner. Er selbst auch nicht. Jedenfalls macht es irgendwann keinen Sinn mehr, über die Vergangenheit zu grübeln. Es macht aber durchaus Sinn, sich um die Zukunft zu kümmern. Jetzt, wo er in Rente ist und sich überlegen muss: Was mache ich mit meiner Zeit? Mit den Jahren, die mir bleiben? Und den Möglichkeiten, die ich noch habe?
Diesen Fragen muss er sich stellen. Muss neue Prioritäten setzen, nach neuen Perspektiven suchen. Aber eins ist klar: Bloß funktionieren will er nicht mehr, kann er nicht mehr. Muss er auch nicht mehr. Seine Frau sagt ihm das ganz deutlich. Seine Kinder sehen das genauso.
Und Gott ebenfalls.
Denn bei Gott müssen wir nicht funktionieren. Klar, sollen wir uns einsetzen. Für ein gutes Miteinander am Arbeitsplatz. Dafür, dass unsere Gesellschaft offen und freiheitsliebend bleibt. Für den Schutz der Umwelt. Und für die Menschen, die zu uns kommen.
Aber bei allem notwendigen Einsatz - für Gott sind wir viel mehr als ein Rädchen im Getriebe, das zu funktionieren hat. Für Gott sind wir Menschen mit Fähigkeiten und Bedürfnissen, mit Möglichkeiten und Grenzen. Vor allem aber sind wir Menschen, die Gott liebt. Die ihm am Herzen liegen. Er will nicht, dass wir funktionieren. Sondern leben. So, wie es gut für uns ist.
Redaktion: Rundfunkpastorin Sabine Steinwender-Schnitzius
